Hagen. Verband erarbeitet Modell für schrittweise Öffnung der Betriebe. Experten erwarten verändertes Reiseverhalten und sehen Chance für das Sauerland.

Der Tourismus in Nordrhein-Westfalen fordert von der Landesregierung eine „Aussicht auf Normalität und Rückführung des Geschäfts“. Die Branche sei der „von der gegenwärtigen Krise am härtesten betroffene“ Wirtschaftszweig. In Zusammenarbeit mit regionalen Verbänden hat die Dachorganisation Tourismus NRW ein „Neustart-Szenario“ entworfen.

"Phasenmodell in drei Schritten"

In dem Papier, das dieser Zeitung und dem NRW-Wirtschaftsministerium vorliegt, wird ein „Phasenmodell in drei Schritten“ vorgeschlagen. Demnach sollen in der ersten Phase einer vorsichtigen Lockerung „Beherbergungsbetriebe mit autarken Übernachtungsformen“ (Ferienwohnungen und -häuser, Campingplätze mit autonomen Ver- und Entsorgungssystemen, Hotelappartements, Hausboote) und unter Auflagen Hotel garnis wieder öffnen.

Gleichzeitig sollen Außengastronomien, Zoos, Tier- und Freizeitparks, Auto-, Fahrrad- und Bootsverleihe sowie Ausflugsschiffe ihren Betrieb aufnehmen. Phase 2 sieht unter anderem die Öffnung weiterer gastronomischer Angebote und kleine Veranstaltungen im Freien vor. Phase 3 bringt die Rückkehr zur Normalität.

Verband spricht von dramatischer Lage

„Die Branchen-Akteure brauchen jetzt dringend eine Perspektive“, sagte Thomas Weber vom Sauerland-Tourismus dieser Zeitung. „Sonst droht uns, dass bei einem Neustart des Tourismus viele Betriebe nicht mehr dabei sind, weil sie die Krise nicht überstanden haben.“ Der Tourismus NRW spricht von einer dramatischen Lage: „Es droht eine riesige Pleitewelle.“

Eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer habe ergeben, „dass drei Viertel der befragten Unternehmen im Reisegewerbe und fast zwei Drittel der Unternehmen im Gastgewerbe eine Insolvenz in diesem Jahr befürchten.“

Wiese: Kontrollierte, schrittweise Öffnung

Der Briloner Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese, Koordinator für ländliche Räume in der SPD-Bundestagsfraktion, plädierte ebenfalls für eine „kontrollierte, schrittweise Öffnung“. Entscheidend sei die Frage, ob es möglich sei, die Abstands- und Hygienebestimmungen einzuhalten, sagte er dieser Zeitung. „In Ferienwohnungen und auf Campingplätzen halte ich das für denkbar.“ Man dürfe jedoch nicht „übermütig“ werden.

Reiseverhalten wird sich kurz- und mittelfristig verändern

Nach Auffassung von Tourismusforschern wird die Corona-Krise das Reiseverhalten der Bundesbürger kurz- und mittelfristig verändern. „Touristische Angebote im Nah- und Mittelbereich, also deutsche Ferienregionen“ werden stärker nachgefragt werden, sagte Prof. Jürgen Schmude vom Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung der Universität München dieser Zeitung. „Damit stehen auch für das Sauerland durchaus Chancen für die Post-Corona-Zeit.“

Das sieht auch Dirk Wiese so: „Die Mittelgebirge bieten großartige Möglichkeiten."