Hagen. Der Hagener GMD Joseph Trafton hat mit Beethoven gleich ganz oben angefangen. Die 9. Sinfonie machte ihm früh klar: Ich will Musiker werden.

Meine entscheidende Erfahrung mit Beethoven habe ich interessanterweise durch unsere Fußballmannschaft zuhause in Bowling Green (Kentucky) gemacht. Über den Verein haben meine Schwester und ich Karten für die 9. Sinfonie in einer Aufführung des Philharmonischen Chores bekommen. Ich war hin und weg, ich bin fast vom Stuhl gefallen. Bei diesem Konzert habe ich gemerkt: Ich will auch Musiker werden, komponieren, dirigieren, Klavier spielen. Erst später habe ich entdeckt, das Beethoven auch gut improvisieren konnte, er war einfach ein vollkommener Musiker.

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Warum berührt uns Beethoven heute noch so sehr? Beethoven hatte seine Probleme, er musste so mit sich selbst ringen, mit dem Klavier, mit den Noten. Seine Kompositionsskizzen sind zum Teil schlecht. Wenn man sie studiert, sagt man: Das ist ok, doch mehr nicht.

Aber das fertige Ergebnis ist dann unglaublich gut. Beethovens Perfektion ist das Resultat eines langen Prozesses, und vielleicht berührt uns etwas von diesem Ringen, wenn wir ihn musizieren oder hören. Es gibt Komponisten, die sind schnell verdaut, aber Beethoven bleibt eine lebenslange Herausforderung, seine Musik geht nahe.

Beethovens Musik geht direkt in den Bauch

Das andere ist die Faszination. Beethovens Musik trifft uns sofort, sie geht unmittelbar in den Bauch, auch wenn wir die Noten gar nicht kennen. Wenn man die Partituren studiert, ist die Musik hochstrukturell, die mathematischen Strukturen dahinter sind wahnsinnig komplex, und trotzdem geht die Musik sofort in den Bauch. Man muss überhaupt keine klassische Musik kennen, damit das funktioniert.

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Beethoven begleitet und inspiriert mich in meiner ganzen Laufbahn. Er hat aber auch eine tiefe persönliche Bedeutung für mich. Als meine Frau und ich uns ineinander verliebten, haben wir den dritten Satz aus dem Streichquartett Nr. 15 (a Moll, op. 131) zusammen vierhändig am Klavier gespielt: Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit.

Und dann waren wir getrennt, und ich musste während dieser Zeit immer diese Musik hören. Wenn ich heute existenzielle Fragen an das Leben habe, komme ich auf den Dankgesang zurück, diese Innigkeit, diese Seele, die Beethoven da schafft.

Musik hat einen humanitären Aspekt

Am Schluss jeder Spielzeit machen wir mit dem Philharmonischen Orchester Hagen und dem Philharmonischen Chor einen Friedensappell, und diese Idee, dass Musik einen humanitären Aspekt hat, wurzelt in Beethoven. Leonard Bernstein hat das ebenfalls begriffen, er war mit Bezug auf Beethoven ebenfalls überzeugt, dass man mit Musik gegen die Bomben anspielen kann, dass Musizieren für ein Frieden stiftendes Miteinander steht. Deshalb haben wir für das letzte Sinfoniekonzert der aktuellen Spielzeit Beethovens 9. Sinfonie zusammen mit Bernsteins Chichester Psalms geplant, und wir hoffen, dass wir das auch spielen können.

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Beethovens Musik geht uns alle etwas an, sie ist ein gleichsam an die ganze Menschheit gerichteter Appell, eine universale Menschheitserfahrung, Sie vermittelt den göttlichen Funken, das Weiterschöpfen. Die Welt dreht ja im Moment durch. Da brauchen wir mehr Beethoven. Seid umschlungen Millionen, wir sind doch alle zusammen, wir sind doch sehr verbunden, wir sind die ganze Welt.

Bereits mit 21 Jahren debütiert

Der amerikanische Dirigent Joseph Trafton (41) wuchs in Bowling Green (Kentucky) auf und studierte in Miami, Wien und New York. Bereits mit 21 Jahren debütierte Trafton als Dirigent mit „Cyrano - Das Musical“ bei den Freilichtspielen Schwäbisch Hall. Der junge Musiker ist ein gefragter Gastdirigent, u.a. beim Festival „Wien Modern“. Seit der Spielzeit 2017/18 ist Joseph Trafton Generalmusikdirektor in Hagen. In seiner Freizeit spielt er Tennis, Fußball, Basketball und entspannt sich als Langstreckenläufer.

Alle Folgen der Serie "Mein Beethoven", finden Sie hier.