Menden. Die Stadt Menden sorgt mit ihrer Unterkunft für Quarantäne-Verweigerer für Schlagzeilen. Was andere Kreise und Städte dazu sagen.

Eine große Last liegt auf den Kommunen im Land. Sie müssen vor Ort die Auswirkungen der Corona-Krise schultern. Und für viele Maßnahmen gibt es kein Vorbild. Mit dem Schritt, den die 54.000-Einwohner Stadt Menden im Sauerland nun geht, schafft sie es aber bundesweit in die Schlagzeilen. Denn für Quarantäne-Verweigerer ist eine eigene Unterkunft in einer Turnhalle eingerichtet werden. Hier sollen sie im Zweifel zwangsweise untergebracht werden – für 48 Stunden oder in hartnäckigen Fällen sogar für zwei Wochen. Die Feldbetten wurden am Donnerstag aufgebaut. Eine Maßnahme, die bislang einmalig zu sein scheint.

In anderen Städten und Kreisen der Region denkt man anders: „Bei uns ist ein Problem mit Quarantäne-Verweigern nicht bekannt. Entsprechend planen wir auch nicht solche ein Einrichtung“, sagt etwa Torsten Manges, Sprecher des Kreis Siegen-Wittgenstein. Fast wortgleiche Antworten kommen aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis und dem Hochsauerlandkreis. Das Phänomen Quarantäne-Verweigerer sei noch nicht aufgetreten. Und auch in der Großstadt Hagen, so deren Sprecher Michael Kaub, gibt es keine Pläne für eine Zwangsunterbringung: „Das war bisher noch nie Thema.“

Menden ist bislang kein Corona-Schwerpunkt

Und auch Menden ist bislang kein Corona-Schwerpunkt: acht Infizierte und 33 Kontaktpersonen, die unter Quarantäne stehen – das sind die aktuellen Zahlen für die Sauerland-Stadt vom Donnerstag. Doch es gebe auch Menschen, die sich eben nicht an die Quarantäne hielten, argumentiert die Stadt und verweist auf Zahlen des Märkisches Kreises, zu dem Menden gehört.

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Demnach hatten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, die bei Hausbesuchen Abstriche bei begründeten Verdachtsfällen vornehmen wollten, einige nicht zuhause angetroffen. Am Mittwoch waren es zum Beispiel vier von 32 Personen. Im Schnitt, so der Märkische Kreis, sei jeder fünfte unter Quarantäne stehende Verdachtsfall nicht zuhause gewesen. Zur Einordnung: Unter Quarantäne stehen aktuell 46 bestätigte Corona-Fälle und 336 Kontaktpersonen im Märkischen Kreis (rund 400.000 Einwohner).

Vor diesem Hintergrund schleppten Nils Spieler und Dennis Gubba vom städtischen Mendener Baubetrieb nun Feldbetten in die ehemalige Realschul-Turnhalle im Stadtteil Lendringsen. 17 Betten der Jugendfeuerwehr waren verfügbar, weitere sind bei der Bezirksregierung Arnsberg geordert. „Die Halle ist zuvor gesäubert und desinfiziert worden“, sagt der Erste Beigeordnete Sebastian Arlt, der zweite Mann in der Mendener Verwaltung.

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Noch kein konkreter Fall in der Sauerland-Stadt

Er erklärt die außergewöhnliche Maßnahme für uneinsichtige Corona-Infizierte und Verdachtsfälle. Konkrete Fälle gebe es noch nicht, sagt Arlt. „Wir hoffen, dass wir sie nie brauchen werden. Aber was wir brauchen, ist eine wirksame Abschreckung für Uneinsichtige – und Glaubwürdigkeit gegenüber dem gesetzestreuen Bürger.“ Man müsse Antworten auf die Frage geben, was passiere, wenn Infizierte partout nicht in häuslicher Quarantäne bleiben wollten. „Stehen wir dann achselzuckend daneben?“

Mit dem Vorhalten der Halle hat Arlt indes überregional Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Sebastian Arlt, der auch Bürgermeisterkandidat der Mendener CDU ist, hat unversehens Chancen, als eine Art Markus Söder des Sauerlandes in die Schlagzeilen zu kommen. Er selbst drückt die wohl eher ungewollte Popularität anders aus: „Ich hoffe, wir stehen jetzt nicht plötzlich da wie texanische Sheriffs.“

Stadt Menden sieht sich rechtlich auf der sichere Seite

Rechtlich, da ist Sebastian Arlt sicher, handele die Stadt Menden richtig. Das bestätigt ihm auch das NRW-Gesundheitsministerium. Der Paragraf 30 des Infektionsschutzgesetzes gebe das her. Und Arlt, selbst Jurist, hat sich noch die Expertise von Fachanwalt Stefan Bartels aus Möhnesee geholt. Nach Angaben des Verwaltungsrechtlers „besitzen die örtlichen Ordnungsbehörden die Befugnis, eine Person, die sich hartnäckig weigert, die Anordnung einer häuslichen Quarantäne zu befolgen, in einer von der Stadt geschaffenen gesonderten Einrichtung zwangsweise unterzubringen und abzusondern“. Rechtliche Grundlage dafür seien die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes, schrieb der Rechtsanwalt aus Möhnesee in einer Stellungnahme an die Mendener Stadtverwaltung.

Man könne die Verweigerer schließlich nicht einzeln in ihrer Wohnung bewachen, sagte Arlt. Eine Unterbringung in der Halle sei dabei nicht als Strafe, sondern als Ultima Ratio zum Schutz der Allgemeinheit zu sehen. Mediziner warnen jedoch davor, Infizierte und Nicht-Infizierte, bei denen lediglich ein Corona-Verdacht besteht, in einem Raum unterzubringen

NRW-Innenminister Reul lehnt Pläne ab

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) lehnt das Einsperren von Quarantäne-Verweigerern als überzogen ab. „Wenn man den Maßstab der Verhältnismäßigkeit anlegt, kann das keine richtige Maßnahme sein“, sagte er der WESTFALENPOST.