Hagen. Die Corona-Krise trifft die Gastwirte schwer. Die Branche spricht von einer existenzbedrohenden Situation und fordert Hilfe durch den Staat.

Ob Pilsstube, Restaurant oder Außengastronomie – „es war rappelvoll bei uns am Wochenende“, sagt Ingo Schneider vom Landgasthof Schneider in Schmallenberg-Westfeld, „als wenn die Menschen noch einmal eine Gastronomie besuchen wollten, bevor sie es für ungewisse Zeit nicht mehr können“. Auch Ingo Schneiders Denken ist in die ungewisse Zukunft gerichtet: „Wie geht es weiter? Wie kann ich die Gesundheit meiner Mitarbeiter schützen? Wie kann ich Ausfälle finanziell abfangen“, beschreibt der Sauerländer sein stetes Grübeln: „Das Kopfkino läuft unentwegt. Es ist eine existenzgefährdende Situation.“

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Das gilt auch für Horst Rzimski. Der Gastronom hat vor neun Monaten das Wirtshaus Schloss Stüberl in Siegen übernommen und 100.000 Euro investiert, wie er sagt. Er muss Kreditraten in einer Zeit überweisen, in der das öffentliche Leben stark eingeschränkt ist: „Die Stornierungen bei Tischreservierungen gehen in Richtung 100 Prozent“, sagt er. Keiner wisse, so Rzimski weiter, ob die verschärften Auflagen für Restaurants irgendwann in ein Komplettverbot münden. „Wenn ich wegen der Corona-Krise meinen Betrieb über Wochen schließen muss, bleibt mir nur die Insolvenz.“

Einkauf verschoben

Das Schloss Stüberl „hoch über Siegen“ hat derzeit Betriebsferien. Der Internetseite zufolge will man am kommenden Mittwoch „gut erholt und mit neuem Schwung und Energie“ wieder durchstarten. Mit einem Zwei-Meter-Abstand zwischen den Tischen („wir lassen den einen über den anderen Tisch frei“). Keiner weiß zur Stunde, ob es dazu kommen kann. Rzimski: „Eigentlich wollten wir heute auf dem Großmarkt einkaufen. Wir haben dies erst einmal auf Mittwoch verschoben.“

Die unsichere Situation zehrt an den Nerven der Wirte. Das weiß auch Wolfgang Henke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Westfalen. „Die Existenz der Betriebe ist bedroht, täglich nimmt die Zahl der Kündigungen von Beschäftigten zu. Wir brauchen jetzt eine klare Entscheidung seitens der Politik.“ Sollte diese ein Öffnungsverbot für Cafes und Restaurants bedeuten, müsse sich der Staat etwas einfallen lassen, so der Verbandsvertreter. Henke verweist auf das Beispiel Südtirol: „Dort ist ein 400-Millionen-Euro-Programm für notleidende Betriebe im Hoteliers- und Gastwirteverband aufgelegt worden.“

Kopfschütteln über Klöckner-Vorschlag

Mit Kopfschütteln hat Henke den Vorschlag von Bundesagrarministerin Klöckner aufgefasst, in Corona-Zeiten nicht benötigtes Gastronomie-Personal in der Landwirtschaft als Saisonarbeiter einzusetzen – zum Beispiel als Spargelstecher. „Das ist doch weltfremd.“ Der Westfelder Gastronom Ingo Schneider ergänzt: „Feldarbeit ist nun wirklich kein artverwandter Job.“

Apropos Job: „Ich mache mir große Sorgen um meine Mitarbeiter“, sagt Andre Wiese vom Mescheder Ausflugslokal „H1“, „insbesondere die Familienväter und die alleinerziehenden Mütter unter ihnen sind auf das Einkommen zwingend angewiesen.“ Doch wie soll er Gehälter bezahlen, wenn die Gäste in der jetzt eigentlich beginnenden umsatzstarken Zeit ausbleiben, wenn laufende Kosten zu begleichen sind und stündlich neue Stornierungen eintreffen? „Das Coronavirus ist für uns ein wirtschaftlicher Totalschaden. Es ist eine höchst surreale Zeit.“ Am Montag hat Wiese eine Information an alle Mitarbeiter verschickt – man unternehme alles Menschenmögliche, um unbeschadet aus der Krise herauszukommen. Der Gastronom weiß selbst, dass sein Wunsch Zweckoptimismus ist. Die Menschen entscheiden sich zunehmend gegen einen Besuch in der Gastronomie: „Aus Gesprächen mit unseren Gästen wissen wir, dass die Verunsicherung täglich größer wird. Das Thema Coronavirus ist inzwischen in den Köpfen der Menschen angekommen.“

Kurzarbeitergeld beantragt

Das kann auch Frank Beckenbach vom Wirtshaus Spinne in der Hagener Innenstadt bestätigen. „Der Zwei-Meter-Abstand zum nächsten Tisch ist für uns in diesen Tagen kein Problem“, sagt er, „es kommen einfach deutlich weniger Gäste als sonst.“ Älteres Stammpublikum finde durchaus weiter den Weg in die Gasträume. „Sie sind deutlich entspannter als die Menschen, die zu Hamsterkäufen in den Supermärkten aufbrechen.“ Entspannt kann Wirt Beckenbach dagegen nicht sein: „Es geht für uns ans Eingemachte.“ Bei der Arbeitsagentur hat er bereits Kurzarbeitergelder für Mitarbeiter beantragt.

Beckenbach spricht von einem Spuk, „der hoffentlich schnell wieder vorbei ist“. Sein Kollege Horst Rzimski vom Siegener Schloss Stüberl von einem „Horrorszenario“ – für Gastronomen, aber auch für Gemüse- und Fleischzulieferer beispielsweise. „Ich kann nur hoffen, dass wir diese Herausforderung schnell hinter uns bringen können.“