Hagen. Nach der Verkündung der Schulschließungen in Nordrhein-Westfalen sehen Lehrer und Schüler die große Stunde des Online-Lernens gekommen.

Die NRW-Landesregierung hat am Freitag „den Rückzug in die eigenen vier Wände“ beschlossen, wie es Ministerpräsident Laschet ausdrückt. So bleiben die Schulen mindestens fünf Wochen geschlossen, einschließlich der zweiwöchigen Osterferien ab dem 6. April. Das NRW-Schulministerium hat den Lerneinrichtungen im Land empfohlen, die Schüler in der Zeit bis zu den Osterferien „zum Lernen zu Hause anzuhalten (Lektüre, Aufgabensätze, Referate etc.)“. Hierzu sollen in der „Schule vorhandene technische Infrastrukturen genutzt werden“. Einige Reaktionen:

Der Vater

Die Schulschließungen sieht Volker Clausberg, Vorstandsmitglied der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW aus Iserlohn-Letmathe, als notwendigen Schritt: „Es herrscht endlich Klarheit.“ Nun sei die Betreuungs-Frage noch näher an die Eltern gerückt. „Meine Kinder sind 14 und 15. Sie sind in einem Alter, in dem sie alleine zu Hause bleiben können“, so Clausberg. „Aber was ist mit Grundschülern?“

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verkündete am Freitag die landesweiten Schulschließungen.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verkündete am Freitag die landesweiten Schulschließungen. © dpa | Federico Gambarini

Das Coronavirus hat das Denken der Eltern fest im Griff. „Die Verunsicherung hat täglich zugenommen“, blickt der zweifache Vater zurück. Die teilweise sehr unterschiedlichen Äußerungen von Virologen- und Politikerseite sowie die Endlos-Diskussionen in der „Online-Welt“ hätten ein Übriges getan. Dagegen eher entspannt seien die Schüler gewesen. „Bis auf die Abiturienten, die noch bis zu den Osterferien im Unterricht das Rüstzeug für die Prüfungen erhalten sollten.“ Mit Blick auf das Abitur sei in den kommenden Tagen noch so manche organisatorische Fragen zu beantworten.

Das ins Gespräch gebrachte Online-Lernen findet Clausberg „gut und schön“, aber der schleppende Breitbandausbau insbesondere in ländlichen Regionen führt nach seiner Ansicht dazu, dass man „längst noch nicht so weit“ sei: „Es fehlen auch in vielen Schulen entsprechende Geräte und technischer Support seitens der Kommunen.“

Der Schulleiter

Thomas Schulte hätte noch vor Tagen nicht an landesweite Schulschließungen gedacht. „Aber die Sache hat eine solche Dynamik genommen“, sagt der stellvertretende Schulleiter des Franz-Stock-Gymnasiums in Arnsberg-Hüsten. Beispiel: Drei Schülergruppen sind derzeit im österreichischen Zillertal, in Prag und in London auf Klassenfahrt. „Als sie aufbrachen, war noch keine Rede von einer landesweiten Aussetzung von Klassenfahrten, wie sie vor Tagen vom NRW-Schulministerium verfügt wurde.“ Derzeit drehten sich viele Eltern-Anrufe um die Frage, was getan werde müsse, wenn die Klassen von ihrem Auslandsaufenthalt zurückkehren. „Dass im Fernsehen Bilder aus einem anderen Bundesland gezeigt wurden, auf denen Krankenwagen auf zurückkehrende Reisebusse warteten, hat zu einer gewissen Verunsicherung bei den eigentlich sehr besonnenen Eltern geführt.“

Am Franz-Stock-Gymnasium macht man sich schon seit Tagen Gedanken, wie man Kontakt zu möglichst allen Schülern halten kann. „Die Vorstellung, dass man mal eben einen Youtube-Kanal einrichtet und den Unterricht auf das Smartphone der Schüler überträgt, ist derzeit nicht umsetzbar.“ Es gebe gute E-Learning-Systeme. Programme, in denen Aufgaben eingestellt, gelöst und bewertet werden können. Aber: Nach der Datenschutzgrundverordnung müsse von jedem Elternpaar die Einverständniserklärung für einen personalisierten Zugang eingeholt werden. Gleiches gilt für die Weitergabe von E-Mail-Adressen. „Es ist ein riesiger Verwaltungsaufwand, der hier geleistet werden muss.“

Der Lehrer

Mike Ochmann, Grundschullehrer in Wenden, begrüßt die „überfällige und absolut notwendige“ Entscheidung der NRW-Landesregierung: „Es geht darum, die Gesundheit von Schülern, Beschäftigten und deren Angehörigen zu schützen“, sagt der Vorsitzende Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) im Kreis Olpe.

Sein Lehrerkollegium trifft sich am kommenden Montag, um zu besprechen, wie trotz des Unterrichtsausfalls der Lehrplan für dieses Schuljahr erfüllt werden kann. Und wie? „Durch digitales Arbeiten. Wir wollen den Schülern per E-Mail Lernanweisungen schicken.“ Aus Sicht seines Verbandes wird der digitale Unterricht noch an vielen Schulen stiefmütterlich behandelt – was in den meisten Fällen die Schule nicht zu verantworten habe: „Wir fordern seit langem, die Schulen besser mit digitalen Medien auszustatten. Hier ist noch sehr viel Luft nach oben.“

Der Schüler

Der Hagener Christopher Hedt hat am Freitag die Pressekonferenz von Ministerpräsident Laschetverfolgt. „Ich finde es gut, wenn die Sicherheit der Menschen an erster Stelle steht“, sagt der 20-Jährige. Man müsse in Kauf nehmen, dass das öffentliche Leben eingeschränkt wird.

Hedt will in diesem Schuljahr sein Fachabitur als gestaltungstechnischer Assistent an einem Berufskolleg machen. „Ich hätte den Unterricht in den kommenden Wochen noch gut gebrauchen können“, sagt der 20-Jährige. Seine Lehrer habe jetzt eine gute Alternative gefunden: digitales Arbeiten mit dem „Team Viewer“. Mit dem Programm ließen sich Übertragungen von Dateien mit Arbeitsaufgaben vom PC des Lehrers zum Laptop oder Heimrechner des Schülers machen. „Wir sind im digitalen Zeitalter. Da ist es nur folgerichtig, dass man die Möglichkeiten nutzt.“

Robert Balzer aus Hagen unterstützt diese Ansicht. „Das Online-Lernen ist in den kommenden Wochen die einzige Möglichkeit“, sagt das Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung NRW. Aber: „Es muss sichergestellt sein, dass alle Schüler – auch die, die aus einem einkommensschwachen Elternhaus stammen und daheim kein mobiles oder festes Endgerät haben – an das digitale Lernen kommen.“