Hagen. Kritiker sehen in Extinction Rebellion eine esoterische Weltuntergangssekte. Prof. Frank Hillebrandt von der Fern-Uni Hagen bleibt gelassener.
Prof. Frank Hillebrandt leitet an der Fernuniversität in Hagen die Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften.
Wie schätzen Sie die Bewegung Extinction Rebellion ein?
Frank Hillebrandt: Das ist die radikalere Abspaltung der Klimaschutzbewegung um Fridays for Future, die logisch war und die es bei fast jeder Protestbewegung gibt. Die Bewegung steckt noch in den Kinderschuhen und man muss sehen, wie sie sich entwickelt. Grundsätzlich rate ich zur Gelassenheit und empfinde es als hoffnungsfroh, dass sich junge Menschen für die Zukunft interessieren und auf die Straße gehen. Ehrlich gesagt bin ich verwundert, dass es so lange gedauert hat. Denn wir wissen ja schon länger, dass wir ökologisch über unsere Verhältnisse leben.
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Extinction Rebellion überschreitet auch rechtliche Grenzen.
Das ist soziologisch gesehen notwendig, um den Protest wahrnehmbar zu machen. Petitionen in Klarsichthüllen – so schön sie sind - helfen irgendwann nicht mehr weiter. Der zivile Ungehorsam ist dadurch ethisch legitimiert, dass durch ihn drastische Schäden von der Menschheit abgewendet werden. Das nehmen die Aktivisten für sich an Anspruch. Und es sind auch schon ganze Stiftungen nach Menschen benannt worden, die zivilen Ungehorsam praktiziert haben. Beispiel: Heinrich Böll. Eine Demokratie wie unsere wird sich diese Art von zivilem Ungehorsam wohl gefallen lassen müssen.
Geht es der Bewegung um politischen Inhalte? Die frühere Öko-Aktivistin und Politikerin Jutta Ditfurth stellt das infrage und nennt die Bewegung „eine esoterische Weltuntergangssekte“.
Aus der Form des Protests eine politische Inhaltlosigkeit zu interpretieren, halte ich für nicht richtig. Aber die Radikalität mag den einen oder anderen abschrecken. Dass das ausgerechnet bei Jutta Ditfurth mal der Fall sein würde, hätte man vermutlich auch damals nicht gedacht. Die Kinder der Revolution fressen die Vorgängergeneration auf. Die Erfolge der gesamten Klima-Aktivistenszene sind beachtlich. Ich wüsste nicht, wann eine Bewegung die öffentliche Diskussion so nachhaltig beeinflusst hat.
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Was sehen Sie kritisch?
Natürlich müssen wir die Weltuntergangsszenarien, die da entworfen werden, kritisch hinterfragen. Und wenn ich höre, dass ein Mitglied der Bewegung die NS-Diktatur relativiert, dann überkommt mich ein ungutes Gefühl. Es ist auch nicht auszuschließen, dass hinter so einer Bewegung auch unternehmerische Interessen stehen. Deswegen müssen wir sie weiter beobachten. Und ich glaube nicht, dass die Bewegung ein Problem damit hat, genauer unter Beobachtung zu geraten, weil es ja das ist, was sie an der Politik bemängelt: zu wenig Transparenz.