Brilon/Berlin. Dirk Wiese, Russland-Beauftragter der Bundesregierung aus Brilon, über die Beziehungen mit Moskau und einen mutmaßlichen Auftragsmord in Berlin.
Es war schon mal besser, das deutsch-russische Verhältnis. Die Ukraine-Krise hält nach wie vor an, nun belastet auch noch der Mord an einem georgischen Staatsbürger mitten in Berlin die Beziehungen der beiden Länder. Denn Moskau soll die Tat in Auftrag gegeben haben. Keine einfache Zeit für Dirk Wiese, Russland-Beauftragter der Bundesregierung. Wir haben mit dem Briloner SPD-Bundestagsabgeordneten gesprochen.
Wie reden Sie mit Vertretern eines Staates, der in Deutschland mutmaßlich einen Mord in Auftrag gegeben hat?
Dirk Wiese: Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir haben die russische Seite aufgefordert, bei der Aufklärung dieses Mordes mitzuwirken. Bisher waren wir mit dem russischen Beitrag nicht zufrieden. Moskau hat jetzt zugesagt, sich stärker einzubringen. Ich erlebe aber bei vielen anderen Themen Fortschritte: beim Normandie-Format zur Umsetzung des Minsk-Prozesses für die Ost-Ukraine oder bei der Verlängerung des Gas-Tranits durch die Ukraine unter deutscher und europäischer Vermittlung.
Ist mit einem mutmaßlichen Mord nicht eine Grenze überschritten?
Die Ausweisung zweier russischer Diplomaten war ja ein klares Zeichen. Jetzt ist es an der russischen Seite zu zeigen, dass der Wille da ist, dass die Tat aufgeklärt werden kann.
Gleichzeitig muss Deutschland wegen Nordstream 2 den Konsens mit Moskau suchen. Ist das nicht pervers?
Nordstream 2 ist ein privatwirtschaftliches Projekt, das aber für die Energieversorgung Deutschlands wichtig ist. Mir macht hier die aktuelle Haltung der USA Sorgen. Die erlassenen extraterritorialen Sanktionen sind nicht konform mit dem internationalen Recht. Sie treffen deutsche und europäische Unternehmen. So geht man mit einem Partner nicht um.
Aber wer Gas aus Russland beziehen möchte, darf es sich politisch mit Moskau nicht verscherzen.
Gaslieferbeziehungen mit der russischen Seite haben wir schon lange, die gab es sogar in Zeiten des kalten Krieges. Wir sollten die Themen aber nicht vermischen. Wo wir mit Russland unterschiedlicher Auffassung sind, sprechen wir dies auch konsequent an.
Als Russlandbeauftragter ist Ihnen der direkte Dialog der Bürger beider Länder besonders wichtig. Macht die Politik Ihre Graswurzel-Strategie zunichte?
Im Gegenteil. Mir haben die letzten zwölf Monate gezeigt, dass der Austausch der Zivilgesellschaften – man spricht in Russland oft von Volksdiplomatie – in schwierigen Zeiten wichtiger ist denn je. Er trägt zu einer langfristigen Verbesserung der Beziehungen bei. Deshalb haben wir die Haushaltsmittel in diesem Bereich für das kommende Jahr auf 20 Millionen Euro erhöht, und schon jetzt ist die Nachfrage groß. Das Programm richtet sich an die gesamte Region. Wir bringen damit sogar junge Leute aus Russland, der Ukraine und Deutschland zusammen. Das Geld ist gut angelegt und eine Investition für die Zukunft.
Wie sehen die Pläne für 2020 aus?
Wir werden unsere Kooperationsprojekte weiter stärken. Im Sommer des nächsten Jahres beginnt in Russland das Deutschlandjahr; es unterstreicht die wichtige Bedeutung der deutsch-russischen Beziehungen. Unser Land wird sich bei zahlreichen Gelegenheiten in Russland präsentieren. Bei den internationalen Hansetagen in Brilon vom 4. bis 7. Juni erwarten wir auch Delegationen aus russischen Hansestädten. Erstmals werden auch Vertreter aus Weißrussland zu den Hansetagen reisen. Wir haben dann die Gelegenheit, das Sauerland als starke Urlaubs- und Wirtschaftsregion vorzustellen. Bereits im April planen wir eine Sitzung der Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft des Petersburger Dialogs im Sauerland.