Hagen/Bestwig. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese will finanzielle Unterstützung aus Brüssel, damit die Waldbauern geschädigte Flächen wieder aufforsten.
In seinem Heimatort Ostwig hat sich der südwestfälische CDU-Europaabgeordnete Peter Liese am Mittwoch das Ausmaß der Waldschäden angeschaut. Das hat ihn in seiner Ansicht bestätigt: „Auch die EU muss handeln, um unseren Wald zu schützen.“ Beim Besuch der Westfalenpost-Redaktion erläuterte Liese, der auch umweltpolitischer Sprecher der Europäischen Volkspartei ist, was er sich aus Brüssel erwartet.
Zunächst die Standardfrage: Wie geht es mit dem Brexit weiter?
Peter Liese Ich fürchte, dass Boris Johnson die Wahl gewinnt und wir den Brexit nicht mehr aufhalten können. Das jetzt ausgehandelte Abkommen ist vertretbar, viel besser als ein harter Brexit. Am besten wäre gar keiner, doch von der Hoffnung muss man wohl Abschied nehmen.
Nervt das nicht so sehr, dass es gut ist, wenn es endlich vorbei ist?
Die Ansicht höre ich häufig bei Veranstaltungen im Sauerland. Aber so etwas darf man nicht aus dem Bauch heraus entscheiden. Man muss die Probleme der Menschen im Auge behalten. Es leben auch viele Südwestfalen im Vereinigten Königreich.
Zum Wald: Bislang kein EU-Thema?
Er muss es aber werden. Ich habe in der Frage angefangen als Rufer in der Wüste, sehe jetzt aber viel Unterstützung. Die erste Debatte, die das Parlament nach der Sommerpause geführt hat, handelte von den Schäden in unseren Wäldern. Betroffen sind auch Frankreich, Tschechien, Belgien, die Slowakei und Schweden. Deswegen ist es ein europäisches Thema. Der Wald ist unheimlich wichtig für den Klimaschutz, gleichzeitig hängen von einer funktionierenden Waldwirtschaft Hunderttausende Arbeitsplätze ab.
Die CDU/CSU-Gruppe im Parlament hat einen Forderungskatalog an die Kommission geschickt. In dem heißt es unter anderem, Vorschriften sollten unbürokratisch ausgelegt werden, um Waldbesitzer beim Schutz vor Schädlingen zu unterstützen. Was meinen Sie damit?
Da geht es zum Beispiel um ein von der EU geschütztes Gebiet, in dem bestimmte Vögel brüten. Im Abstand von 200 Meter stehen Fichten. Dann geht es darum, wie groß die Pufferzone sein muss, um den Borkenkäfer bekämpfen zu können. Der Vogel bleibt geschützt, aber man muss flexibel reagieren. Noch ist nicht überall das Bewusstsein dafür da, dass wir eine Katastrophenlage haben.
Sie wollen auch finanzielle Unterstützung für die Waldbauern.
Bei Kyrill kamen 100 Millionen Euro aus dem Solidaritätsfonds, etwa zur Instandsetzung von Wegen. Jetzt sind die Schäden gravierender. Dazu könnten Mittel aus der zweiten Säule der Agrarpolitik kommen, die Unterstützung für Umwelt und Klimamaßnahmen gibt. Und wenn wir den CO2-Emissionshandel ausweiten, könnten wir eine Klimaprämie für den Wald zahlen.
Das könnte aber dauern…
Es ist wichtig, schnell zu handeln. In zwei, drei Jahren wird es noch schwieriger, den Wald wieder aufzuforsten. Viele Waldbauern zögern, weil es sich für sie angesichts der gesunkenen Holzpreise nicht lohnt. Wir müssen sie motivieren, weil ein nachhaltig bewirtschafteter Wald für den Klimaschutz enorm wichtig ist.
Wichtiger als Biotope?
Unbedingt. Man kann sicher kleine Teile sich selbst überlassen, aber ein bearbeiteter Wald wächst schneller und bindet deshalb mehr CO2. Dazu kommt: Aus einem Urwald bekomme ich kein Holz. Das müsste ich ersetzen durch Beton oder Stahl – nicht gerade klimafreundlich. Außerdem müssen wir in Deutschland der Welt zeigen, dass wir Klimaschutz und Arbeitsplätze unter einen Hut bekommen. Der Wald ist da ein wichtiges Symbol.
Das EU-Parlament hat gerade, mit Beifall von Ihnen, gefordert, den Bienenschutz zu verbessern. Die EU kritisiert seit Jahren die unzureichenden deutschen Bemühungen für den Gewässerschutz. Knickt nicht gerade Ihre Partei immer wieder vor der Agrarlobby ein?
Ich finde, dass Julia Klöckner einen guten Job macht. Und wir können den Bauern nicht immer mehr Vorschriften machen und ihnen zugleich weniger Geld geben. Wir wollen ja nicht, dass sie aufgeben und wir mehr Lebensmittel importieren müssen, deren Herstellung wir weniger kontrollieren können. Aber richtig ist auch, dass die Verbraucher mehr Tierschutz und Umweltschutz erwarten, und dass die Verbände da sehr lange gemauert haben. Inzwischen sind wir auf einem guten Weg.
Müssen wir nicht auch die EU-Förderung überdenken, die noch immer ein Drittel des Haushalts ausmacht?
Wenn wir die kleinen Familienbetriebe erhalten wollen, müssen wir aufhören, in erster Linie die Fläche zu fördern. Da wäre entweder eine Kappung sinnvoll, also beispielsweise maximal 100.000 Euro, oder eine Prämie, die für den ersten Hektar höher ist als für den letzten. Und wir sollten die Land- und Forstwirtschaft in den Emissionshandel einbeziehen. Davon würden extensiv wirtschaftende Betriebe mit Wald profitieren. Wer viel Vieh hält, Futter importiert und viel Gülle erzeugt, bekäme weniger.