Hagen. Immer mehr Kinder fallen durch die erste Fahrradprüfung oder werden erst gar nicht zugelassen. Eine Ursache: mangelnde motorische Fähigkeiten.

Eine Gruppe Kinder in gelben Westen schlängelt sich auf Fahrrädern durch die Stadt. Am Straßenrand stehen Polizeibeamte, Eltern und Lehrer. In den Händen halten sie einen Fehlerbogen. Handzeichen, sicheres Fahren – es gibt einiges, worauf sie bei den kleinen Radfahrern achten. Je nach Region findet die Prüfung im Herbst oder im Frühjahr statt. Doch immer mehr Kinder haben Schwierigkeiten, überhaupt an der Prüfung teilnehmen zu können. Die Zahl derer, die durch die Abschlussprüfung fallen, steigt seit einigen Jahren in vielen Städten – auch in Südwestfalen.

In Hagen haben 2019 etwa 1700 Schüler an der Prüfung teilgenommen. „Grundsätzlich fallen bei uns keine Kinder durch die Radprüfung. Jungen und Mädchen die die Prüfung nicht bestehen, müssen eine zusätzliche Übungsfahrt machen“, sagt Ramona Arnhold, Pressesprecherin der Polizei in Hagen. Das Auffallende: „Eine solche Zusatzeinheit machen laut Schätzungen unseres Leiters der Verkehrssicherheitsberatung rund 30 bis 40 Prozent der Kinder.“ Das wären fast 700 Prüflinge.

Im Märkischen Kreis unterstützte die Polizei alle 80 Grundschulen im Kreisgebiet. Das macht im Schnitt bis zu 3500 Prüflinge. Auch wenn das Fahrradtraining in der Verantwortung der Schulen liegt – die Polizei nimmt ihre Rolle als Unterstützer ernst. „Allzu übermütige Jungs“, sagt Christof Hüls, Regierungsbeschäftigter bei der Polizei im Märkischen Kreis, müssten „zu ihrem eigenen Schutz immer wieder zumindest zeitweise vom Radfahrtraining ausgeschlossen werden.“

Kinder auf dem Land radeln häufiger

Auch in Siegen-Wittgenstein ist laut Polizeihauptkommissar Stefan Pusch die Anzahl der Wiederholer leicht gestiegen. Im Kreis Olpe sucht man das Gespräch mit den Schülern, wenn diese durch Unsicherheiten beim Training auffallen – so Michael Klein von der Polizeibehörde in Olpe. „Es fallen bei mir nicht mehr Kinder durch die Prüfung, aber vorher werden ein wenig mehr Kinder davon überzeugt, nicht mehr am Radfahrtraining teilzunehmen.“

Was jedoch in allen Kreisen Südwestfalens auffällt: Die Kinder haben wachsende motorische Schwierigkeiten. „Sich während der Fahrt umzudrehen, ausreichend lange Handzeichen zu geben beim Abbiegen – das fällt zunehmend schwer“, sagt Christof Hüls. Zudem müsse unterschieden werden, ob die Kinder auf dem Land oder in der Stadt zur Schule gingen. „Im ländlichen Bereich unternehmen Eltern häufiger Radtouren mit ihrem Nachwuchs, oder die Kinder fahren bereits in jungen Jahren in geschützten Bereichen selbstständig Fahrrad.“

Nutzung von Smartphones macht sich bemerkbar

Auch die Nutzung von Smartphones mache sich bereits bei den jungen Radfahrern bemerkbar. Einige von ihnen würden selbst beim Mitfahren im Auto der Eltern oder im Bus nichts von dem Verkehrsgeschehen mitbekommen, da ihr Blick am Smartphone hänge.

Sonja Wever von der Polizei im Ennepe-Ruhr-Kreis sieht noch andere Ursachen für die erhöhte Wiederholungsquote. „Bei Kindern mit Migrationshintergrund spielt vermutlich schon die kindliche Erziehung im Elternhaus eine große Rolle. Viele Kinder sind es überhaupt nicht gewohnt, sich im Straßenverkehr zu bewegen, geschweige mit dem Fahrrad daran teilzunehmen. Eine Unterstützung der Eltern findet in diesen Familien größtenteils nicht statt.“ Zudem häufen sich nach Einschätzung der Polizeioberkommissarin die Fälle, in denen Kinder überhaupt kein Rad fahren, oder es im Haushalt kein Fahrrad gibt.

Eltern können unterstützen

Damit möglichst viele Kinder ihre Radprüfung auf Anhieb schaffen, raten die verschiedenen Polizeibehörden den Eltern, aktiv ihre Kinder in der Vorbereitung zu unterstützen – sei es beim Lernen oder aber in der Praxis. In der Schule werden die jungen Prüflinge dann auf die theoretische und praktische Prüfung in Form der Verkehrserziehung vorbereitet. Am Ende entscheidet die Schule, ob ein „Fahrradpass“ ausgegeben wird oder nicht.

Ein Radfahrverbot für Kinder ohne diesen Pass gibt es nicht. Schließlich sei es keine echte Fahrerlaubnis. Es habe vielmehr ein Symbolcharakter für viele Kinder. Kinder, die bald erneut auf den Straßen in der Region entlang radeln werden.