Hagen. Verkehrsminister Wüst spricht sich für Reaktivierung alter Bahnstrecken in Südwestfalen aus, aber so schnell werden dort keine Züge fahren.
16 Prozent des Schienennetzes sind seit der Bahnreform vor einem Vierteljahrhundert stillgelegt worden, mehr als 5400 Kilometer bundesweit. Inzwischen hat sich die Erkenntnis verbreitet, dass dies ein Fehler war. Auch NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst sieht das so. Er machte anlässlich der Verkehrsminister-Konferenz der Bundesländer vergangene Woche deutlich: Viele Menschen hätten gar keine Möglichkeit, auf das eigene Auto zu verzichten und auf die Bahn umzusteigen, wie es Klimaschutzpläne fordern.
Deshalb wird auf verschiedenen Ebenen an der Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken gearbeitet. Das Problem: Genehmigungsverfahren dauern sehr lange, dann protestieren Anwohner, und schnell sind zehn Jahre vergangen. Wüst bringt für ländliche Regionen in Südwestfalen oder im Sauerland deshalb auch Schnellbus-Systeme ins Gespräch.
Ein fahrender Zug
Eine gute Idee? Wir fragen beim Fahrgastverband Pro Bahn nach. Der Bundesvorsitzende Detlef Neuß stimmt zu: „Schnellbus-Linien sind besser als nichts. Zehn Jahre für die Reaktivierung einer Bahnstrecke sind eher zu optimistisch gerechnet. Und Schnellbusse, die nicht quer durchs ganze Kreisgebiet fahren, können durchaus attraktiv sein.“ Eine Pionierrolle will er dem CDU-Politiker allerdings nicht zugestehen: „Da springt der Verkehrsminister auf einen fahrenden Zug auf. Das läuft doch längst.“
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Tatsächlich läuft zum Beispiel beim Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) eine Menge. Die Strecke von Lüdenscheid-Brügge nach Meinerzhagen wurde bereits im Dezember 2017 reaktiviert, derzeit noch im Zweistundentakt. Ende dieses Jahres sollen Züge im Stundentakt verkehren und in Kierspe sowie Halver-Oberbrügge halten. Dann ist die Lücke zwischen Lüdenscheid und Gummersbach/Köln geschlossen.
Andere Projekte sind im Planungsstadium: Für die Röhrtalbahn zwischen Neheim-Hüsten und Sundern ist eine Machbarkeitsstudie abgeschlossen, weitere Planungsstufen werden vorbereitet. Auch für die Strecke Menden – Hemer ist eine Machbarkeitsstudie abgeschlossen, doch die weiteren Planungen ruhen derzeit. Die Almetalbahn von Paderborn über Büren nach Brilon-Stadt wurde vom NWL für den ÖPNV-Bedarfsplan gemeldet, Hemer – Iserlohn soll untersucht werden, für Halver-Oberbrügge – Halver und Neheim-Hüsten – Arnsberg Süd werden Machbarkeitsstudien erwogen.
Abhängig vom Nachweis der Wirtschaftlichkeit
Das klingt nicht nach schnellen Lösungen. Auch der NRW-Pressesprecher von Pro Bahn, Lothar Ebbers, hält Schnellbusse deshalb für eine gute Option: „Das wäre ein guter Test, um das verkehrliche Potenzial zu sehen.“ Was er für sinnvoll hält, was aber noch in keinem Plan auftaucht, wäre der Lückenschluss zwischen Olpe und Gummersbach. Ebbers verweist darauf, dass seit ein paar Jahren die Finanzierungsmöglichkeiten für Reaktivierungen auf Landesebene besser geworden seien, mahnt aber auch, Neubauten nicht zu vergessen.
Und an was hat Hendrik Wüst konkret gedacht? „Ob und welche Strecken für eine Reaktivierung vorgeschlagen werden, obliegt nach dem ÖPNVG der Entscheidung der SPNV-Aufgabenträger“, teilt das Landesverkehrsministerium mit. Die erste Abkürzung steht dabei für das Gesetz zum öffentlichen Personennahverkehr, die zweite für den Schienenpersonennahverkehr. Und Aufgabenträger ist eben in unserer Region der NWL. Ob das Land fördert, hängt unter anderem vom Nachweis der Wirtschaftlichkeit ab.
100 Millionen bis 2032
Bei den Bussen aber soll sich in der Tat etwas tun: NRW will die SPNV-Pauschale zur Förderung von regionalen Schnellbus-Verkehren erhöhen. Insgesamt sollen 100 Millionen Euro bis zum Jahr 2032 bereitgestellt werden. Von diesen Mitteln erhält der für die Regionen Sauerland und Südwestfalen zuständige Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe 55 Millionen Euro.
Der Minister will unterdessen keine falschen Hoffnungen wecken: „Es wird immer auch Regionen geben, in denen der Bahnverkehr nicht wirtschaftlich zu organisieren ist“, sagte er in einem Interview.