Düsseldorf. Armin Laschet spricht im Interview über Altschuldenhilfe für Kommunen, die Zukunftschancen des Ruhrgebiets – und was Südwestfalen davon hat.
Die von der Landesregierung gestartete Ruhr-Konferenz geht in die entscheidende Phase. Welche Großprojekte das Ruhrgebiet wirklich voranbringen und warum das auch für die Nachbarn in Südwestfalen wichtig ist, erläutert Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Gespräch mit den Chefredakteuren Jost Lübben (WP), Andreas Tyrock (WAZ) und unserem Landes-Korrespondenten Tobias Blasius.
Das Ruhrgebiet mit noch immer hoher Arbeitslosigkeit grenzt geografisch an das wirtschaftlich starke Sauerland, wo man händeringend Fachkräfte sucht. Müsste die „Ruhr-Konferenz“ nicht stärker die regionale Vernetzung in den Blick nehmen?
Armin Laschet: Ich werbe schon länger dafür, das Ruhrgebiet weiter zu fassen und als den großen Raum zu betrachten, in dem die Ruhr fließt. Also von der Quelle im Hochsauerland bis zur Mündung in Duisburg. Wir wollen es schaffen, die Menschen mit bestmöglicher Verkehrsinfrastruktur so mobil zu machen, dass sie dorthin fahren, wo es freie Lehrstellen gibt und der Fachkräftebedarf groß ist.
Ist das im Rest des Landes angekommen?
Nordrhein-Westfalen kann nur insgesamt als Land erfolgreich sein, wenn die Regionen erfolgreich sind. Die Menschen im Rheinland, dem Sauerland und Ostwestfalen wissen doch, dass es auch für sie gut ist, wenn es dem Ruhrgebiet als riesigem Wirtschaftsstandort im Herzen des Landes gut geht. Dass Arndt Kirchhoff als weltweit erfolgreicher Autozulieferer aus Südwestfalen im Beirat der Ruhr-Konferenz führend mitarbeitet, halte ich daher für ein deutliches Signal.
Diskutieren Sie mit dem Ministerpräsidenten!
Unter dem Motto „Menschen machen Metropole – Die Ruhr-Konferenz im Dialog“ will Ministerpräsident Armin Laschet am Samstag, 5. Oktober von 12.30 bis 14 Uhr mit Bürgern bei einer „Townhall-Veranstaltung“ in Hagen (Fernuniversität Hagen, Universitätsstraße 33, 58097 Hagen) ins Gespräch kommen. 90 Minuten lang wird er gemeinsam mit dem für die Ruhr-Konferenz verantwortlichen Minister Stephan Holthoff-Pförtner über Projektvorschläge zur Zukunft des Ruhrgebiets diskutieren.
Für unsere Leser sind in Hagen 15 x 2 Plätze reserviert. Wenn Sie auf die Gästeliste wollen, senden Sie uns am Montag, 23. September, eine E-Mail mit Ihrem Namen und dem Ihrer Begleitperson:
wp-aktion@westfalenpost.de (Betreffzeile: Townhall-Gespräch). Die Teilnahme ist kostenlos.
Wenn dem Ministerpräsidenten eine Frage unbedingt gestellt werden sollte, senden Sie uns diese gerne mit. Wir losen unter den eingegangenen E-Mails aus. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Welches Projekt liegt Ihnen persönlich am Herzen?
Den Kabinettsberatungen und vor allem den Townhall-Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern dazu in Oberhausen und Hagen möchte ich nicht vorgreifen. Mir liegt die Ruhr-Konferenz insgesamt sehr am Herzen. Sehr wichtig ist in jedem Fall, die Stärkung des Wissenschaftsstandorts für die Zukunftsfähigkeit der Region. Die Hochschulen, die international bereits als University Alliance Ruhr auftreten, könnten sich auch im Forschungsalltag noch besser vernetzen und abstimmen. Das Ruhrgebiet bietet ideale Voraussetzungen für die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft auf einem Campus, wie es die RWTH Aachen vormacht, wo aus der Hochschule neue industrielle Arbeitsplätze entstanden sind. Das erhoffe ich mir auch rund um das neue Max-Planck-Institut für Cybersicherheit in Bochum. Dort könnten sich etwa forschungsstarke Unternehmen der IT-Sicherheit ansiedeln.
Wo sehen Sie noch Entwicklungschancen?
Ein Beispiel ist die Entwicklung der Wasserstoff-Technologie, die zukünftig eine riesige Rolle spielen wird. Die Überlegungen der Forscher gehen sogar hin zur CO2-freien Stahlproduktion. Das Ruhrgebiet wäre ein ideales Testfeld für diese Zukunftstechnologie, weil wir hier die höchste Dichte an Produktionsanlagen in ganz Deutschland haben. Auch die klimafreundliche Mobilität ist ein zentrales Thema und der Schlüssel für den Erfolg anderer Projekte. Denn um schnell und einfach zum Arbeitsplatz, zum Arzt, in die Uni oder in das Konzert zu gelangen, braucht es ein integriertes Verkehrskonzept in der gesamten Metropolregion.
Wieviel Geld erwarten Sie im Rahmen der Ruhr-Konferenz vom Bund?
Abstrakte Geldforderungen sind heute nicht die Lösung. Lassen Sie uns nun erstmal aus den 75 Projektvorschlägen auswählen, dann über die Finanzierung sprechen. Wir sind uns sicher, dass der Bund uns bei wichtigen Infrastrukturprojekten etwa im Bahnverkehr unterstützen wird. Wenn wir aus Klimaschutzgründen weniger innerdeutsche Flüge haben wollen, könnten wir zum Beispiel den ICE-Verkehr zwischen Dortmund und Berlin so beschleunigen wie auf der Sprintstrecke München-Berlin. Damit ein solches Großprojekt aber auch zeitnah realisiert werden kann, müssten wir das Planungsrecht entrümpeln.
Sie haben kürzlich gesagt, eine „Sanierung West“ sei überfällig. Wie kommen Sie darauf?
Nach der Deutschen Einheit haben sich auch Ruhrgebietsstädte solidarisch gezeigt mit den neuen Bundesländern und teilweise erhebliche zusätzliche Schulden aufgenommen, um den Aufbau Ost über viele Jahre mitzubezahlen. Heute haben wir in Ostdeutschland blühende Landschaften, vielerorts strahlende Innenstädte und eine gute Infrastruktur, während die Arbeitslosigkeit in einigen Ruhrgebietsstädten höher ist als in der Lausitz. Deshalb muss der Bund jetzt auch in die Sanierung West investieren.
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Vor allem die hohen Altschulden knebeln viele Ruhrgebietsstädte. Wann helfen Sie?
Ich bin froh, dass die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ der Bundesregierung die Mithilfe beim Abbau der kommunalen Altschulden zum ersten Mal überhaupt als Bundesaufgabe anerkannt hat. Das war nicht selbstverständlich, weil viele Städte in anderen Bundesländern diese Probleme nicht kennen. Sobald wir konkret wissen, wie sich der Bund bei den kommunalen Altschulden finanziell einbringt, werden wir als Land ebenfalls mit einem Eigenanteil helfen. Die aktuelle Niedrigzinsphase dämpft das Problem, aber wir brauchen dennoch eine dauerhafte Lösung.
Gerade die Städte im Ruhrgebiet ächzen unter den hohen Kosten der Flüchtlingsunterbringung und -integration. Wann hilft das Land?
Anders als unsere Vorgängerregierung haben wir in diesem Jahr erstmals die Integrationspauschale des Bundes in voller Höhe an die Kommunen weitergeleitet. Das ist eine erhebliche Entlastung der Städte bei den Kosten für die Flüchtlingsunterbringung. Für 2020 und 2021 konnte die Landesregierung zudem Planungssicherheit für die Städte und Gemeinden beim Bund erkämpfen. Der Bund hat Übernahme und Unterstützung bei den flüchtlingsbezogenen Kosten zugesichert. Das war ein langer und beharrlicher Kampf der Landesregierung für die Kommunen.