Nach Angaben des Pfarrers von Freudenberg-Alchen steht das Siegerländer Dorf unter Schock. Das Backesfest am Sonntag endete in einer Tragödie.

Freudenberg. Oliver Günther ringt mit den Worten. „Der ganze Ort steht unter Schock“, sagt der Dorfpfarrer von Alchen, „die Menschen können nicht fassen, was am Sonntag beim Backenfest passiert ist.“ Günther, der als Pfarrer der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Oberholzklau auch Alchen betreut, war auf dem Weg zu dem traditionellen Dorffest („vorher hatte ich in einer anderen Gemeinde einen Gottesdienst gefeiert“), als er im Radio von der Explosion erfuhr. Die Bilder, die er an Ort und Stelle sah, wird er nicht so schnell vergessen, sagt er. Seine persönliche Betroffenheit ist groß, weil er viele der Menschen, die das Backesfest unbeschwert feiern wollten, gut kennt. Die Schicksale der Menschen, die das Unglück schwer verletzt überlebt haben, der Angehörigen, die einen geliebten Menschen verloren haben oder der Festbesucher, die das schreckliche Geschehen aus nächster Nähe mitansehen mussten, würden den Ort noch … Oliver Günthers Stimme stockt. Er sucht nach der richtigen Umschreibung: „Das wird den Ort noch in nächster Zeit beschäftigen“, sagt er und weiß selbst, dass das untertrieben ist.

Oliver Günther ist den ganzen Sonntag an der Unglücksstelle geblieben und stand den Menschen bei. „Für sie ist das wichtigste nach einem solchen Unglück, dass sie die Möglichkeit erhalten, ihre Eindrücke auszusprechen.“ Nach der „akuten Situation mit dem Einsatz der Rettungskräfte“ habe man sich an verschiedene Stellen zurückziehen und Gespräche führen können.

Funktionierende Dorfgemeinschaft

Helfen bei der Verarbeitung der Eindrücke, ist sich der Pfarrer sicher, könne die funktionierende Dorfgemeinschaft mit ihren festen Familienstrukturen. „Dort ist ein gutes soziales Netz.“ Trotzdem: „Den Schmerz in der Seele und die schrecklichen Bilder bekommen die Menschen nicht ohne Weiteres weg“, sagt er, „aber es gibt professionelle Hilfe, um zu lernen, damit umzugehen.“ Das gelte auch für Rettungskräfte, die in einer „besonderen Weise betroffen waren“. Der Löschzug Alchen mit 24 Männern und Frauen sei als erste Einheit am Unglücksort gewesen, sagt Einsatzleiter Maik Rother. Zwar sei offenbar keiner von ihnen zum Zeitpunkt der Explosion beim Fest gewesen, aber nach dem Notruf seien sie sehr schnell „in voller Stärke“ einsatzfähig gewesen. „Eine sehr belastende Situation für die Kameraden“, so Rother. „Alchen ist ein kleiner Ort, in dem jeder jeden kennt.“

Nach Rothers Worten seien 150 Besucher auf dem Backesfest gewesen. Am Tag danach hat er die Bilder der Verletzten vor Augen, die an dem Kartoffelstand gearbeitet oder vor ihm für den Kauf einer Mahlzeit angestanden hätten. „Die Bilder lassen einen nicht los.“

Anteilnahme leben

Kann ein Pfarrer, der bei solchen Notfällen im Einsatz ist, traumatisierten Menschen so etwas wie Trost zusprechen? „In der akuten Situation ist das ganz schwer“, sagt Pfarrer Oliver Günther, „unser Trost besteht dann darin, uns Zeit zu nehmen, Nähe und Anteilnahme zu leben, an ihrer Seite zu stehen – aber ich kann ihnen keine Antwort geben, warum das Ganze geschehen ist.“