Siegen. Nach der vermeintlich ersten Fleckfieber-Übertragung in Deutschland: „Borreliose ist viel gefährlicher“, so das Robert-Koch-Institut.

Die Nachricht vom ersten Verdachtsfall einer Fleckfieber-Übertragung in Deutschland schlägt hohe Wellen. Seit die Universität Hohenheim in Stuttgart am Mittwoch mitgeteilt hat, dass ein Pferdebesitzer aus dem Siegerland nach einem Stich der tropischen Riesenzecke Hyalomma an einer sogenannten Rickettsiose (eine Form des Fleckfiebers) erkrankte und nach einer Antibiotikum-Therapie längst wieder gesund ist, steht das Telefon von Prof. Ute Mackenstedt nicht mehr still. „Verbreiten Sie bitte keine Panik“, so die Leiterin des Fachgebiets Parasitologie an der baden-württembergischen Hochschule beim Anruf dieser Zeitung. „Dieser Fleckfieber-Erreger (Rickettsie) ist keine bösartige Art. Wird er auf den Menschen übertragen, verläuft eine Erkrankung nicht tödlich.“

Aufruf im vergangenen März gestartet

Ute Mackenstedt erforscht die Ausbreitung exotischer Zeckenarten in Deutschland und die Entwicklung von Gegenmaßnahmen. Im vergangenen März, so die Wissenschaftlerin, habe man einen Aufruf gestartet, „sonderbar aussehende Zecken“ nach Stuttgart-Hohenheim zu schicken. 2000 Tiere kamen bislang in diesem Jahr in Luftpolstertaschen oder kleinen Kartons an der Universität an. „Darunter waren nur 43 Exemplare der Hyalomma“, so Ute Mackenstedt. Eben auch die Riesenzecke aus dem Raum Siegen, die nach Angaben des Kreises Siegen-Wittgenstein der Patient selbst an die Forschungseinrichtung gesandt hatte – bevor er in das Kreisklinikum Siegen zur Behandlung ging.

Antibiotikum wirkt schnell

Die Universitätsprofessorin weiß nichts Näheres zur Identität des Patienten, aber: „Er zeigte die typischen Symptome einer Fleckfieber-Erkrankung: starke Gliederschmerzen, Ausschlag an Armen und Beinen sowie das Gefühl, die Haut würde brennen.“ Der Mann sei sehr gut auf das ihm Anfang August verabreichte Antibiotikum angesprungen, so dass er schnell wieder auf dem Damm gewesen sei. Dass die Uni Hohenheim und das involvierte Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München in diesem Fall davon sprechen, dass trotz der „eindeutigen klinischen Symptome“ bei dem Patienten „vermutlich“ der erste Mensch in Deutschland nach einem Stich der Hyalomma-Zecke erkrankt war, hängt nach Ute Mackenstedts Worten mit eben jener Antibiotikum-Therapie zusammen. „Weil es dem Mann nicht gut ging, wurde umgehend mit der Medikation begonnen. Dadurch war der Erreger nicht mehr nachweisbar.“ Das Patientenwohl stehe immer im Vordergrund, betont sie.

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Beim Robert-Koch-Institut (RKI), dem Bundesinstitut für Infektionskrankheiten in Berlin, ist man nicht glücklich über die Stuttgarter Veröffentlichung. „Das Ganze ist in eine Schieflage geraten“, sagt Sprecherin Susanne Glasmacher. Und ergänzt: „Wir würden im vorliegenden Fall nicht von einem Fleckfieber sprechen.“ Das epidemische Fleckfieber sei eine schwere, von Läusen übertragene und meldepflichtige Erkrankung mit einer hohen Sterblichkeitsrate. „Was dem Mann aus dem Raum Siegen widerfahren ist, würden wir als Zeckenstich-Fieber bezeichnen. Ein solcher Fall ist für uns nicht überraschend.“ Der vorliegende Erreger sei auch schon von anderen Zeckenarten in Deutschland übertragen worden. „Das kommt vor und verläuft üblicherweise nicht schwer“, sagt Susanne Glasmacher und ergänzt: „Hierzulande ist die Borreliose mit jährlich mehr als 200.000 Fällen viel gefährlicher.“

Riesenzecke ist fünf Mal größer als der gemeine Holzbock

Eine Borreliose wird durch Bakterien verursacht, die von Zecken übertragen werden. Die bekannteste Art in unseren Breiten, der Holzbock, ist fünf Mal kleiner als die tropische Riesenzecke Hyalomma, die in diesen Tagen für so viel Aufregung sorgt. Während der Holzbock auf Gräsern, Laub oder Zweigen in niedriger Höhe sitze und gut einzusammeln sei, erklärt Ute Mackenstedt, ist das Ganze bei der tropischen Riesenzecke, die im Gegensatz zum blinden Holzbock sehen könne, nicht so einfach: „Sie verlässt ihre Ruheplätze in Spalten oder unter Steinen erst, wenn sie sich auf Wirtsuche begibt.“ Gerne ließe sie sich dazu an Pferden nieder. Es ist also kein Zufall, dass es sich bei dem Patienten aus dem Siegerland um einen Pferdebesitzer handelt.

Riesenzecke bleibt ein Exot

Die Riesenzecke Hyalomma, die mutmaßlich „über Zugvögel aus Afrika, Vorderasien oder dem Balkan nach Deutschland kam“, bleibe hierzulande ein Exot, sagt Ute Macken-stedt. Dank der Größe würde man schnell merken, wenn das sich lebhaft bewegende und bisweilen für eine Spinne gehaltene Tier mit dem auffälligen Äußeren („orange-rot mit gelben Querbändern“) menschlicher Haut erreicht. Beim Entfernen helfe eine normale Zeckenzange. Und dann, so bittet Ute Macken- stedt, den Fund per Post nach Stuttgart-Hohenheim schicken. Zu Forschungszwecken.

Sticht oder beißt eine Zecke? Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim: „Wir sprechen von einem Stich. Die exakte Übersetzung des englischen Begriffs ,tick bite’ ist allerdings Zeckenbiss.“

Falls Sie eine verdächtige, vermeintlich exotische Zecke gefunden haben und dies melden möchten: Informationen im Internet unter https://zecken.uni-hohenheim.de/zecken_melden