Düsseldorf/Lippstadt. Hella-Chef Dr. Rolf Breidenbach präsentiert ein Umsatzplus für 2018/19 und dämpft die Erwartungen: „Die Sonderkonjunktur in China ist vorbei.“
Die Automobilbranche befindet sich „im Rückwärtsgang“, bilanziert Rolf Breidenbach, Chef des Automobilzulieferers Hella. Im Vergleich zur Branche stehen die Lippstädter mit einem Umsatzplus von fünf Prozent im abgelaufenen Geschäftsjahr noch glänzend da, aber Ende Mai 2020 könnte erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt ein Umsatzrückgang stehen. Wann das in der Unternehmensgeschichte das letzte Mal der Fall war, weiß nicht einmal der Vorstand genau: „Aber es ist verdammt lang her!“
Sonderkonjunktur in China ist vorbei
Breidenbach ist dennoch gelassen: „Wir bleiben bei der bereits im Juli angekündigten konservativen Prognose von 6,5 bis 7 Milliarden Euro Umsatz am Ende des laufenden Geschäftsjahres“, erklärt er am Freitagmorgen bei der Vorstellung der aktuellen Unternehmenszahlen in Düsseldorf.
Die gedämpfte Erwartung fußt nicht zuletzt darauf, dass der Markt in China eingebrochen ist. Hella blieb hier bis Ende Mai um über zehn Prozent hinter dem Vorjahresumsatz und war damit immer noch besser als der Schnitt. Auf minus 15 bis 20 Prozent schätzt Breidenbach den Markt in der Volksrepublik aktuell: „Die Sonderkonjunktur in China ist vorbei. Und es gibt keinen Chinaersatz.“ Was dies für Automobilbauer bedeuten könnte, die sich vor allem wegen des Chinamarktes gänzlich auf Elektromobilität fokussieren, mögen weder Breidenbach noch Hella-Finanzchef Bernard Schäferbarthold kommentieren.
Ausgewählte Zahlen der Hella-Bilanz
Der Umsatz: 7 Milliarden Euro (Vorjahr: 7,1 Mrd.) Durch den Verkauf der Großhandelssparte „fehlen“ hier rund 400 Mio. Euro Umsatz gegenüber dem Vorjahr.
Der Automotivebereich mit Licht- und Elektroniklösungen sowie Fahrerassistenzsystemen macht mit rund 5,8 Mrd. Euro den Löwenanteil am Umsatz aus. Aftermarket (Werkstattausrüstungen etc.): 665 Mio. Euro (Vorjahr: 647 Mio. Euro); Land- und Baumaschinenausstattung: 399 Mio. (Vorjahr: 430 Mio. Euro. Hier schlägt die Schließung des Standortes Australien zu Buche.)
Die vorgeschlagene Dividende für Aktionäre liegt wie im Vorjahr bei 1,05 Euro. Zweidrittel des Erlöses aus dem Großhandelsverkauf werden zusätzlich verteilt, so dass 3,35 Euro pro Aktie ausgeschüttet werden.
Für Hella macht die Zulieferung im Automobilbereich mit 5,8 Milliarden Euro Umsatz den Löwenanteil am Geschäft aus. Dass man trotz deutlich sinkender Pkw-Verkaufszahlen den Umsatz noch einmal steigern konnte, lag am guten Geschäft in Amerika (Umsatzplus: 13 Prozent) und Europa (plus 6 Prozent), sogar in Deutschland (plus 7 Prozent) und dem Umstand, dass Hellaprodukte zu einem guten Teil Highendware sind. Das gilt sowohl für die LED-Scheinwerfertechnik wie auch für Energiemanagementsysteme und insbesondere bei Fahrerassistenzsystemen (Radar etc.), die das Autofahren nicht nur bequemer, sondern auch sicherer machen.
Kooperation mit chinesischem Autohersteller
Auch wenn die Prognose für dieses Jahr zurückhaltend ausfällt, blickt man in Lippstadt optimistisch in die Zukunft, weil man sowohl im Elektronikbereich als auch beim Licht der Konkurrenz in einigen Bereichen mindestens einen Schritt voraus zu sein scheint. In Kooperation mit BAIC, einem der größten chinesischen Automobilhersteller und Batteriespezialisten, soll bald ein Batteriemanagementsystem auf den Markt gebracht werden, das sowohl 12 als auch 48 Volt so regeln kann, dass nur eine Batterie notwendig ist. Eine Innovation, die aktuell nur Hella anbieten kann und die enormes Potenzial bei der Ausrüstung von Hybridfahrzeugen verspricht.
Unternehmen investiert in Forschung und Entwicklung
Einen vergleichbar großen Vorsprung verzeichnet Hella mit der SSL/HD-LED-Scheinwerfertechnik, bei der LED auf dem Chip aufgebracht und über 15.000 LED-Pixel einzeln und intelligent ansteuerbar sein sollen. Den ersten Kunden im Premiumsegment gibt es bereits, „in drei Jahren wird der Scheinwerfer über die Straßen rollen“, sagt Breidenbach.
Auch interessant
Innovationen zahlen sich also erst morgen und übermorgen aus, kosten aber schon heute. 611 Millionen Euro hat das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr in Forschung und Entwicklung (F+E) investiert, noch einmal gut 50 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Es bleibe das Ziel, konsequent weiter in F+E zu investieren. Während im Lichtwerk II in Lippstadt im Scheinwerferbau gerade 200 Arbeitsplätze abgebaut werden, werde Hella im Bereich F+E am Stammsitz weiter Ingenieure und Entwickler einstellen, sagt der Hella-Chef.
Zahl der Beschäftigten in Deutschland bleibt stabil
In der Produktion werde die Arbeitsplätze tendenziell eher weniger, so dass unter dem Strich die Zahl der Beschäftigten in Deutschland in etwa gleich bleiben werde. Momentan federt das Unternehmen Nachfragerückgänge personell noch damit ab, die Zahl der Zeitarbeiter zu reduzieren. „Kurzarbeit ist bei uns noch kein Thema, aber ausschließen möchte ich nichts“, bleibt Breidenbach auch hier vorsichtig.
Dass die Aktionäre in diesem Jahr mit einer Dividende von 3,35 Euro verwöhnt werden sollen, hat mit dem Verkauf des Großhandelsgeschäftes zu tun. Zwei Drittel des Erlöses sollen ausgeschüttet werden. Hella kann es sich trotz sich eintrübender Konjunktur offenbar leisten. „Wir sind netto schuldenfrei, haben ein Plus auf dem Konto und brauchen das Geld auch nicht für eventuelle Zukäufe“, erklärt Breidenbach.