Hagen. In der Reinigungsbranche drohen Streiks, nachdem die Arbeitgeber den Tarifvertrag gekündigt haben. Sie wollen Zuschläge für Arbeiter streichen.
Das Bundesarbeitsgericht hat im März entschieden, dass auch Teilzeitkräfte einen Anspruch auf Überstundenzuschläge haben. Und zwar nicht erst nach acht Stunden, sondern nach Ende ihre regulären Arbeitszeit. Das war ein wichtiges Urteil für die Beschäftigten in der Reinigungsbranche, wo Teilzeit die Regel ist.
Die Folge allerdings war für die Arbeitnehmer weniger erfreulich: Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks hat den Rahmentarifvertrag zum 31. Juli gekündigt. Die Zuschläge in Höhe von 25 Prozent sollen gestrichen werden. Das will die zuständige Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) erwartbarerweise nicht hinnehmen und droht im Umfeld der Tarifverhandlung am 15. August mit Warnstreiks.
Schlechtere Konditionen
Was die IG BAU besonders empört: „Mitarbeiter, die seit 20 Jahren im Betrieb sind, werden von einigen Arbeitgebern gedrängt, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben“, sagt Bodo Matthey, Regionalleiter Westfalen. Darin seien schlechtere Konditionen enthalten. „Statt bisher 28 oder 30 Tagen Urlaub sollen Beschäftigte jetzt das gesetzliche Minimum von 20 Tagen hinnehmen. Zuschläge für Überstunden oder besondere Aufgaben wie etwa die OP-Reinigung werden eingekürzt oder ganz gestrichen“, berichtet Friedhelm Kreft, Vorsitzender des Bezirksverbands Westfalen Mitte-Süd. Außerdem verlangten einige Firmen, dass Beschäftigte, die bislang feste Arbeitszeiten haben, auf Abruf arbeiten sollten. Kreft wie Matthey warnen: „Kein Mitarbeiter sollte die neuen Verträge unterschreiben.“
Nach Angaben von Bodo Matthey versuchten die Arbeitgeber auch, vom vereinbarten tariflichen Mindestlohn von 10,56 Euro pro Stunde abzurücken und nur noch den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro pro Stunde zu bezahlen. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die ohnehin jeden Euro zweimal umdrehen müssen“, kritisiert die IG BAU. Gerade Frauen seien von den Kürzungen betroffen. Eine Reinigungskraft, die Vollzeit rund 1300 Euro netto verdiene, habe schon jetzt große Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Die IG BAU vertritt in den Kreisen Soest, Olpe und Siegen-Wittgenstein, im HSK, im Märkischen Kreis und in Hagen mehr als 13.000 Beschäftigte. Der Organisationsgrad liege mit mehr als 30 Prozent relativ hoch, erklärt Matthey: „Das liegt daran, dass nur unsere Mitglieder Urlaubsgeld erhalten.“ In den kommenden Verhandlungen will die IG BAU zusätzlich Weihnachtsgeld erstreiten.
Schnell auf der Straße
„Wir haben in der Branche sehr viele Beschäftigte mit Migrationshintergrund“, sagt der Regionalleiter Westfalen. „Das sind normalerweise die Unsichtbaren, die früh am Morgen oder spät am Abend kommen, wenn alle anderen weg sind. Aber die können auch sichtbar werden.“ Erstens seien sie schnell auf der Straße, und zweitens würden die Folgen von Arbeitsniederlegungen deutlich spürbar, so Matthey. Kreft appelliert unterdessen an die öffentliche Hand: „Städte und Gemeinden können die Regeln festlegen, nach denen Schulen, Rathäuser und Ämter gereinigt werden. Klar ist: Zu sauberen Gebäuden gehören auch saubere Arbeitsbedingungen.“