Werl. 37 Jahre hat Maria Look im Strafvollzug gearbeitet. Jetzt ist die Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl in den Ruhestand gegangen.
Fünf Jahre leitete Maria Look (65) das belegungsmäßig derzeit größte geschlossene Gefängnis in Nordrhein-Westfalen. Jetzt ist die Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl offiziell in den Ruhestand gegangen. Nach 37 Jahren im Strafvollzug.
Wie war die Situation im Strafvollzug, als sie 1982 angefangen haben?
Maria Look: Ich bin damals auf viele Bedienstete gestoßen, die noch einen anderen Vollzug kannten – die nicht mehr damit klarkamen, dass das wenige Jahre zuvor in Kraft getretene erste Strafvollzugsgesetz der Bundesrepublik die Behandlung der Gefangenen in den Mittelpunkt stellte. Der Gesetzgeber hatte zu Recht erkannt, dass das „Wegschließen für immer“ nicht der Ansatz sein kann. Von alleine tritt keine Besserung ein, man muss mit den Menschen arbeiten.
Was waren die größten Veränderungen im Strafvollzug?
Die Veränderungen zeigen sich in dem sehr fortschrittlichen NRW-Strafvollzugsgesetz, das nach der Föderalismus-Reform verabschiedet wurde. Endlich wurde das Übergangsmanagement stärker in den Blick genommen. Es reicht häufig – wie bis dato – nicht, die Menschen bis zum Schluss in Haft zu begleiten, sie dann aber in Freiheit auf sich allein gestellt zu lassen. Sie brauchen draußen Anlaufstellen, die ihnen zur Seite stehen. Ferner sieht das neue Gesetz eine Erweiterung der Besuchsmöglichkeiten und eine familiengerechte Ausgestaltung des Besuchs vor. Erstmals werden auch ausdrücklich Opferbelange thematisiert, die es bei der Vollzugsgestaltung zu berücksichtigen gilt.
Und doch herrschen häufig Vorurteile über die Menschen, die nach Verbüßung ihrer Strafe aus der Haft entlassen werden.
Die Menschen sehen häufig nur die schlimmen kriminellen Taten, aber nicht, dass die Gefangenen in Anti-Gewalt-Trainings und Therapien an sich gearbeitet und zum Positiven verändert haben – und dass ein Gutachter ihnen attestiert hat, dass für sie ein Leben in Freiheit verantwortbar ist. Ziel des Strafvollzuges muss sein, Gefangene so zu behandeln, dass sie für ein Leben ohne Straftaten und mit sozialer Verantwortung in die Gesellschaft zurückgeführt werden können. Das verstehen viele draußen leider nicht.
Sehen Sie Gründe dafür?
Tja, warum schauen sich die Menschen liebend gerne Krimis im Fernsehen an, aber empfinden Unbehagen, wenn ein ehemaliger Gefangener in ihrer Nähe wohnt? Ich will zu keiner Medienkritik ansetzen, aber: Die Berichterstattung über den Strafvollzug erfolgt in der Regel nur bei besonderen Vorkommnissen. Natürlich haben wir gefährliche Leute in der JVA Werl, aber eben auch viele andere, die zu ihren Fehlern stehen und an sich arbeiten und nach vorne schauen wollen. Und doch ist die öffentliche Wahrnehmung von Ängsten geprägt.
Wie beurteilen Sie Ihre fünf Jahre in Werl?
Die Zeit ist unheimlich schnell vorübergegangen. Ich war sehr gerne in Werl und bin dankbar, dass nichts Schlimmes passiert ist. In aller Bescheidenheit sage ich, dass wir gemeinsam gute Arbeit abgeliefert haben.
Vor welchen Herausforderungen steht die JVA Werl?
Leitung und Bedienstete müssen sich auf eine neue Gefangenen-Klientel einstellen. Wir sind nicht mehr nur die Anstalt der Langzeitinhaftierten, der „schweren Jungs“, wie es in der Öffentlichkeit immer heißt. Durch den Sanierungsbedarf in vielen NRW-Anstalten bekommen wir mehr und mehr auch Erstvollzügler und Regelvollzügler mit kurzen Haftstrafen. Ein Teil davon ist nicht arbeitsfähig und zeigt psychische Auffälligkeiten, ein anderer Teil kann kein Wort Deutsch. Auch diese Menschen darf man nicht nur sicher unterbringen, sondern man muss mit ihnen arbeiten. Wir benötigen Arbeit, die auch von ungelernten kurzstrafigen bzw. nicht der deutschen Sprache mächtigen Gefangenen erledigt werden kann. Und wir müssen Behandlungskonzepte für Kurzstrafige erstellen und entsprechende Maßnahmen künftig auch durchführen. Nicht nur wegen der veränderten Klientel und der hohen Belegungszahlen steht die Anstalt in den kommenden Jahren vor einer Herausforderung: Die angespannte Personalsituation, insbesondere im allgemeinen Vollzugsdienst, muss durch Einstellung neuer Kräfte entschärft werden. Die JVA Werl braucht darüber hinaus einen Anstaltsarzt bzw. eine Anstaltsärztin und weitere Kräfte im psychologischen Dienst und im Sozialdienst.
Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?
Keine konkreten. Das letzte Viertel meines Lebens werde ich frei gestalten. Vieles ist in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen – wie Familie und Freunde. Da werde ich wieder verstärkt Beziehungspflege betreiben. Und ich werde viele freie Zeit an der frischen Luft verbringen – bei Gartenarbeit, beim Fahrradfahren oder an der Nordsee. Ich liebe die Natur.
Werden Sie die JVA Werl vermissen?
Ich freue mich auf die freie Zeit, werde aber die Kollegen hier ganz bestimmt vermissen.
Schreiben Sie ein Buch schreiben über 37 Jahre im Strafvollzug?
Da kann ich Sie beruhigen: nein!