Hagen/Warstein. . Eine rasant wachsende Population bedroht die biologische Vielfalt. Die Tiere sind zum Abschuss freigegeben – ein Jäger aber wohnt mit ihnen.

Sie heißen zwar „Bär“, doch aus nächster Nähe wirkt es so, als würde Torsten Hiller zwei zu groß geratene Katzen füttern. Seit etwa einem Jahr bewohnen zwei Waschbären ein Gehege im Garten des Waldpädagogen und Jägers aus Warstein. „Sie kommen und gehen, wann sie möchten, die Tür ist nicht abgeschlossen“, sagt Hiller, während „Moppel“ und „Görli“, wie er sie liebevoll nennt, an ihm hochklettern. Ein harmonisches Bild, das für einen Augenblick die andere, problematische Seite der flinken Waldbewohner vergessen macht.

Aus Waschbär wird Problembär

Aus Naturschutzsicht besitzt der ursprünglich in Nordamerika beheimatete Waschbär nämlich ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die biologische Vielfalt unserer Region. Besonders betroffen sind heimische Amphibien, Reptilien und Brutvögel, darunter eine Vielzahl gefährdeter und geschützter Arten. Seit 2016 ist der sich rasant vermehrende Waschbär deshalb als gebietsfremde und invasive Art, sogenannter ­Neozoen­, auf der EU-Liste geführt, die eine intensive Bejagung vorsieht.

„Zehn Minuten Waschbären im Haus reichen für Kernsanierung“

Und auch für den Menschen wird er zunehmend zum Problem. „Er durchwühlt Mülltonnen nach Essensresten und klettert auch problemlos Häuserwände hoch“, sagt Hiller und fügt hinzu: „Zehn Minuten Waschbären im Haus reichen für eine Kernsanierung.“ Die hatte sein Haus bislang noch nicht nötig, seine beiden Hunde würden den Waschbären deutlich machen, dass sie den Kürzeren ziehen würden.

Eine genaue Angabe, wie viele Waschbären in den heimischen Wäldern leben, entfällt aufgrund der fehlenden behördlichen Zählung. Jagdverbände ziehen die Abschusszahlen der Waschbären innerhalb der Jagdzeit heran, um eine Schätzung der Population vorzunehmen. So liegt die Zahl für das Jagdjahr 2017/2018 in NRW mit über 17.200 mehr als dreimal so hoch, als noch vor zehn Jahren (knapp 5.500).

Waschbären auf dem Vormarsch bei uns

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    Wie man dem rasanten Vormarsch der Waschbären nachhaltig Paroli bieten kann, ist bis dato noch nicht geklärt. „Eine flächendeckende Bekämpfung ist bei diesen Arten nicht möglich“, sagt Birgit Königs, Pressesprecherin vom Naturschutzbund (NABU) NRW. „Neben der Tatsache, dass das sehr intelligente Tiere sind, führt eine permanente Bejagung in der Regel dazu, dass mehr Tiere geworfen werden – und die Lücken sich ganz schnell wieder schließen.“ Deshalb plädiert die NABU dafür, den Waschbären aus dem Jagdgesetz zu nehmen. Ein ausnahmsloses Jagdverbot stellt für die Naturschützer allerdings auch keine Option dar. „Wo bekannt ist, dass der Waschbär tatsächlich andere Tierarten gefährdet, muss es möglich sein, ihn zu bekämpfen“, so Königs.

    Torsten Hiller ist für einen Abschuss, auch wenn er sich mit den Waschbären in seinem Garten in einer widersprüchlichen Situation befindet. „Dass hier mal Waschbären ein Zuhause finden, war so nicht geplant“, sagt Hiller. Ursprünglich hatte er den Käfig gebaut, um Wachteln aufzupäppeln. Dann wurden ihm plötzlich die Jungtiere gebracht, die ohne Hilfe nicht überlebt hätten. „Man ist doch auch nur Mensch“, sagt Hiller. „Als ich die Jungtiere gesehen habe, empfand ich es als selbstverständlich zu helfen.“ Und das tat der 50-Jährige auch.

    Beziehung zu Waschbären entsteht

    Er fütterte die Jungen fast stündlich mit Katzenmilch, ging mit ihnen zum Tierarzt, ließ sie sterilisieren und kastrieren. „Da entsteht natürlich eine Beziehung zum Tier, ansonsten würde man das alles gar nicht machen“, sagt Hiller, der unter anderem durch die Waschbären in seiner Funktion als Waldpädagoge Kindern die heimische Natur erklärt. Der Realität gegenüber verschließen oder seine Pflicht als Jäger vernachlässigen möchte er deswegen aber nicht. Über 50 Waschbären habe er im vergangenen Jahr auf der Jagd oder durch Fallen erlegt. Der grundsätzliche Effekt der Jagd fällt jedoch überschaubar aus. „Die steigende Zahl ist auch darauf zurückzuführen, dass Waschbären im Prinzip keine natürlichen Feinde haben“, sagt Hiller.