Hagen. . Die Abgeordneten Sippel (SPD) und Liese (CDU) sind einig: Die Wahl war eine Ohrfeige für die Große Koalition. Der Grüne Ovelgönne hofft noch.
Bei den Kandidaten aus Südwestfalen reichte die Stimmung am Wahlabend entsprechend der Ergebnisse von jubilierend bis zerknirscht.
Der Arnsberger Grünenkandidat Jan Ovelgönne, der mit Parteifreunden im „Café Europa“ in Düsseldorf feierte, sprach von einem „Kracherergebnis, richtig grandios“, auch wenn ihm trotz Verdoppelung der Prozentpunkte der Einzug ins Europäische Parlament vorerst verwehrt bleibt. Ovelgönne hat mit Listenplatz 24 noch Chancen, im Laufe der Legislatur den Sprung zu schaffen, wenn Abgeordnete vorzeitig ausscheiden. In der vergangenen Periode war dies einmal der Fall, als ein Abgeordneter zu Robert Habeck ins Ministerium nach Kiel wechselte. Dennoch: „Ich rechne noch damit, nachzurücken“, sagte Ovelgönne gegenüber dieser Zeitung.
Ein Schub durch „Fridays for Future“
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Dass ein Mandat in greifbare Nähe gerückt ist, hat der Sauerländer, der in seinem Heimat-Wahlbezirk Arnsberg-Altstadt eine Stunde nach Schließung der Wahllokale bei über 30 Prozent der Stimmen lag, der jungen Generation zu verdanken. „Die Bewegung Fridays for Future hat das Bewusstsein in der Bevölkerung stark verändert.“
Jetzt gelte es auf europäischer Ebene dieser Verantwortung gerecht zu werden und Themen umzusetzen: Ovelgönne nennt hier die Abschaffung der Steuerbefreiung für Flugbenzin oder den europaweiten Ausstieg aus der Kohleverstromung.
Abrechnung mit Berlin
Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel resümiert vom heimischen Sofa in Arnsberg aus, dass die klimapolitischen Vorschläge wie die CO2-Steuer der SPD offenbar nicht ins öffentliche Bewusstsein gelangt seien – jedenfalls nicht in ausreichender Form. Die Verluste nennt sie „dramatisch“.
Leider hätte Europa auch in der Berichterstattung über die SPD nicht genügend Raum eingenommen: „Die Wahl war eine Abrechnung mit der Großen Koalition in Berlin“, konstatiert sie. In Bezug auf die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles sagt Sippel, ein Austausch von Köpfen allein bringe die Sozialdemokraten nicht weiter. „Man muss sich schon fragen, ob es für die Europawahl eine Strategie gab?“
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Ob sie sich wenigstens auf die Zusammenarbeit mit der Spitzenkandidatin Katarina Barley freue? „Ich freue mich erst einmal für alle, die es ins Parlament geschafft haben.“ Das sind zukünftig aber eben deutlich weniger.
Jungen Menschen besser zuhören
Auch wenn die CDU/CSU in der Wählergunst in Deutschland stärkste Kraft bleibt, schlagen die Verluste Dr. Peter Liese schon aufs Gemüt: „Gut kann es einem mit diesem Ergebnis nicht gehen“, sagt der CDU-Spitzenkandidat offen. Und analysiert ehrlich: „Die Leute wollen die große Koalition einfach nicht mehr.“ Außerdem: „Ich bin ziemlich sicher, dass wir den jungen Menschen besser zuhören und sie ernster nehmen müssen!“
Liese lässt durchblicken, dass er nicht mit allem einverstanden war, was zuletzt im Konrad-Adenauer-Haus beschlossen wurde. Es scheint, als werde der Sauerländer, der gerade mit Umweltthemen in den vergangenen Jahren enorm an Profil gewonnen hat, sich künftig stärker Gehör verschaffen wollen. Dass er im Hochsauerlandkreis mit 41 Prozent ein gutes Ergebnis hinlegte, tröstete ihn wenig. Insgesamt sei es „bitter“.