Herdecke. . Fahrradhändler André Walter aus Herdecke verkauft nur noch E-Bikes. Er erklärt, worauf Käufer im hügeligen Südwestfalen achten sollten.

André Walter hat ein paar Jahre gebraucht, um sich mit E-Bikes anzufreunden. Seit 2006 verkauft der gelernte Kfz-Mechaniker und ehemalige Mountainbike-Testfahrer im eigenen Geschäft in Herdecke nicht nur das gute alte Fahrrad, sondern auch solche mit unterstützendem Elektromotor. Heute hat er längst alle Bedenken über Bord geworfen und komplett umgesattelt: Sein „Tretmühle“ benanntes Geschäft hat er 2016 in „e-motion – e-bike Welt Herdecke“ umbenannt – verkauft werden nur noch Elektroräder.

Verkaufs- und Umsatzzahlen in Deutschland 2018

2018 war für die deutsche Zweirad-Industrie ein gutes Jahr. 4,18 Millionen (plus 8,6 Prozent im Vergleich zu 2017) verkaufte Fahrräder und E-Bikes bedeuten einen Umsatzsprung um 16,3 Prozent auf 3,16 Milliarden Euro.

Es wurden zwei Prozent mehr herkömmliche Fahrräder verkauft – für den Boom sorgte der Absatz von E-Bikes. Daraus resultiert der erneut gestiegene Durchschnittsverkaufspreis pro Rad von 756 Euro (plus 7,1 Prozent).

980.000 E-Bikes wurden 2018 verkauft (plus 36 Prozent). Der Marktanteil von E-Bikes wuchs damit auf 23,5 Prozent. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) erwartet mittelfristig einen Anteil von 30 Prozent, langfristig von 35 Prozent. Laut ZIV wuchs der Fahrradbestand in Deutschland auf 75,5 Millionen, davon 4,5 Millionen E-Bikes - davon zwei Drittel Trecking- und City-E-Bikes, ein Viertel Mountainbikes.

Der Händler profitiert von dem E-Bike-Boom in Deutschland, gerade in Regionen, die hügelig bis bergig sind. „ Wir haben hier alpine Verhältnisse“, sagt der Fachmann, der in seinem Radsportlerleben so manche Steigung bewältigt hat. Einen Grund, warum im vergangenen Jahr in Deutschland beinahe eine Million E-Bikes verkauft wurden, sieht Walter im Zusammenhang mit aktuellen Themen wie Ressourcenschonung und Umweltbewusstsein: „Die Menschen erkennen das E-Bike als Fahrzeug.“ Dass Kunden bei ihm ihr „Jobbike“ wie einen Dienstwagen ordern, gehört mittlerweile zum Alltag. Leasing spiele zunehmend eine Rolle. Das Segment Lastenräder, also beispielsweise Fahrzeuge für Kurierdienste, wie sie die Deutsche Post schon seit Jahren verwendet, dürfte nicht nur angesichts drohender Fahrverbote in Innenstädten an Fahrt aufnehmen.

Gefahr durch Akkubrände?

Mittlerweile hat der E-Motor sogar an Rennrädern Einzug gehalten – ganz legal, anders als bei großen Radrennen, wo durchschnittliche Rennfahrer versucht haben, einmal Aufmerksamkeit zu erhaschen. „Dass das auffällt, war klar“, winkt Walter ab.

Bei allem Boom, warnte jüngst die Provinzial Nordwest im Zusammenhang mit E-Bikes vor brennenden Akkus und riet, gerade nach einem kalten Winter mit wachem Blick die ersten Ladegänge des Akkus zu verfolgen. Durch niedrige Temperaturen könnten technische Defekte verursacht werden, Lithium-Akkus sollten nur in Räumen mit Rauchwarnmelder auf einer nicht brennbaren Unterlage geladen werden.

Tuning – oder lieber nicht?

André Walter nimmt es gelassen. Der Deutsche sei ja von Geburt an Techniker. Was er damit sagen will? „Es ist anders als bei Handyakkus. Ein gesundes System eines Markenherstellers schützt sich selbst. Ein Batteriemanagementsystem sorgt für die richtige Ladung. Viele Fehler kann man nicht machen.“ Kälte sei kein großes Problem, der Akku verliere zwischenzeitlich an Leistung, erhole sich aber wieder.

Hitze sei schon kritischer. „Ab 60 Grad findet eine chemische Reaktion statt, dann verliert der Akku tatsächlich an Leistung.“ Theoretisch seien solche Temperaturen möglich – bei direkter Sonneneinstrahlung auf einer Hutablage mit der Heckscheibe als „Brennglas“ etwa. Achtung ist geboten, wenn ein Akku sich aufbläht. Das kann passieren, wenn man gestürzt oder der Akku hingefallen ist. „Dann muss das Ding auf jeden Fall sofort aus der Wohnung.“ Einen Akkubrand kann man mit herkömmlichen Feuerlöschern nicht bekämpfen. Also umgehend die Feuerwehr rufen.

Der Fahrradprofi erinnert sich nur an einen solchen Fall in Herdecke. Tatsächlich werde es immer dann gefährlich, wenn am Gerät herumgeschraubt wird, mit zusätzlichen Batterie-Zellen die Leistung gesteigert werden soll oder sonst wie am E-Bike getunt wird. Dann verliert die Maschine — denn E-Bikes sind rechtlich betrachtet Maschinen – übrigens sofort die Nutzungs-Zulassung und im Falle eines Unfalls könnte es Probleme geben.

Das richtige E-Bike

Mittlerweile gibt es E-Bikes in allen Varianten bis hin zum Klapprad. Die Frage, welches für die eigenen Zwecke das richtige ist, entscheidet auch über die Motorisierung. E-Bikes mit einer unterstützenden Funktion bis 25km/h dürfen maximal 250 Watt starke Motoren haben. Nicht zu verwechseln mit der Akkuleistung. Die steht analog zum Auto sozusagen für den Tank. Das heißt: Je höher die Wattzahl, desto mehr Leistung. Radexperte Walter rät, auch auf das Drehmoment der Motoren zu achten. 50 Newtonmeter (nm) sollten es in unserer Region schon sein.

„Das ist schon eine Menge, ein alter VW-Käfer hatte 62 Newtonmeter. Am Ende kommt es darauf an, wie flach oder bergig das Einsatzgebiet ist. Wir haben hier schon in Herdecke alpine Verhältnisse. Sein Rat für bergige Gefilde ist eindeutig: ein kräftiger (50nm) Mittelmotor sollte dran sein. Räder mit Motoren an der Hinterradnabe „sind schön, haben wenig Verschleiß, aber einen hohen Verbrauch am Berg“. Und Motoren an der Vorderradnabe? „Auf gar keinen Fall. Sie sind gefährlich und im Vergleich bieten sie wenig Leistung bei hohem Verbrauch.“

Gegen Systeme mit zwei Akkus für mehr Reichweite sei im Prinzip nichts einzuwenden, allerdings ist ein vernünftiger Akku auch ein Kostenfaktor. Dass die meisten Batteriezellen aus Asien stammen, sieht Walter nicht kritisch. Im Gegenteil: „Ich glaube, dass die Chinesen und bei der Akku-Herstellung mindestens einen Schritt voraus sind. Etwas anderes ist es bei den Rädern“, warnt er. Sicherheit und Fahrverhalten sind in der Vergangenheit mit zum Teil erschreckenden Ergebnissen getestet worden. Lenkerbrüche waren keine Seltenheit - im Gegensatz zu explodierenden Akkus.

Der Preis

Letztlich hänge es davon ab, was es dem Käufer wert ist. Aus Sicht des E-Bike-Händlers fängt ein gutes Rad, an dem nicht nur einzelne Komponenten namhaft sind, oberhalb von gut 2000 Euro an. Walter selbst fährt unter anderem ein 7500 Euro teures E-Mouintainbike. Nicht nötig, zieht er noch einmal den Vergleich zum Pkw: „Opel ist eine solide Marke, aber ich fahre dann eben keinen Mercedes.“ Walter rät zum Ausprobieren. Bei guten Händler sollte mehr als eine Runde im Laden drin sein. Der Herdecker bietet für Mountainbiker mittlerweile sogar Test-Touren mit verschiedenen Rädern an – Als Event ohne Kaufzwang, dafür aber gegen eine überschaubare Gebühr.