Hagen. . Verspätungen und Zugausfälle sorgen nicht nur bei Fahrgästen für Frust. „Es gibt Kollegen, die haben schon morgens Magenschmerzen.“

Der Kaffeeautomat rumort im Pausenraum der DB Regio im Bestwiger Bahnhof. Zwei Lokführer haben soeben ihre Schicht beendet. Die beiden sind nicht nur Kollegen, sondern Vater und Sohn. „Auch der Großvater war schon Eisenbahner“, sagt Michael Gerhards von der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL). Leidenschaft für Züge, über Generationen weitergegeben.

Im Sauerlandnetz wird diese Leidenschaft seit Wochen auf eine harte Probe gestellt. Die Probleme mit den neuen Pesa-Zügen wollen nicht enden. Zum Unmut der Fahrgäste. Aber auch zum Unmut der Lokführer. Diese seien „oft das ,letzte arme Schwein’ in der Kette“, sagt Gerhards, GDL-Vorstand der Ortsgruppe Bestwig.

Weiterhin Verspätungen und Zugausfälle

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Das Problem mit den Pesa-Zügen fing schon an, da waren sie noch gar nicht da. Zwei Jahre verzögerte sich die Auslieferung. Als sie dann da waren, kam es zu technischen Problemen, die Verspätungen und Zugausfälle nach sich ziehen – bis heute. Wann die erhoffte Lösung, eine Generalüberholung beim Hersteller in Polen, umgesetzt wird, steht in den Sternen.

Wie der Betreiber DB Regio an Lösungen arbeitet

Aufgrund der Problematik mit den Pesa-Zügen wird DB Regio bis Ende August 2019 vorerst Gebrauchtfahrzeuge aus dem Übergangsbetrieb einsetzen, um bei Störungen besser reagieren zu können.

Eine Taskforce, die aus dem Flottenmanagement und der Instandhaltung von DB Regio, dem Hersteller Pesa und Experten der Zulieferer besteht, soll rasch Lösungen für die auftretenden Fehler erarbeiten und umsetzen.

Und damit wohl auch eine Beruhigung der Situation für Fahrgäste und Lokführer, die oftmals den Frust der Reisenden abbekommen: „Wenn Störungen auftreten, muss sich der Lokführer mit der Leitstelle ­verständigen, die Störung ausfindig machen und versuchen, sie zu beheben – und die Fahrgäste ­wollen auch informiert werden, die sind natürlich auch gestresst“, sagt Gerhards.

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Er selbst ist fast vier Jahrzehnte lang Züge gefahren. In seiner heutigen Funktion dient der 63-Jährige als Ansprechpartner und weiß um das Innenleben seiner Kollegen. Auch weil er sich täglich mit ihnen vor Ort austauscht: „Für mich ist das die einfachste und effektivste Möglichkeit zu erfahren, was nicht genau läuft.“

Frust bei Lokführern macht sich breit

Das größte Problem sei nach wie vor die elektrische Kupplung, bei der es immer wieder zu Problemen kommt. „Der Lokführer steht dann ziemlich dumm dar, da er nicht viele Möglichkeiten hat etwas zu ändern“, so Gerhards. Mittlerweile gäbe es Störlisten, erweitert mit Erfahrungswerten, die von den Lokführern abgearbeitet werden – mehr Möglichkeiten gäbe es nicht.

Hier fahren Pesa-Züge
Hier fahren Pesa-Züge © Manuela Nossutta / Grafik

„Es herrscht schon sehr viel Frust bei den Kollegen wegen der Fahrzeuge“, konstatiert Gerhards. „Es gibt Kollegen, die haben schon morgens Magenschmerzen, wenn sie zur Arbeit gehen.“ Der eigene Anspruch an die Arbeit könne nicht erfüllt werden. Da bringe es auch nichts zu wissen, dass er das Problem nicht verschuldet hat. „Dieser Zustand kann auch auf die Psyche gehen, was in manchen Fällen auch zum Arbeitsausfall führen kann“, sagt Gerhards. Mittlerweile hätten sich„relativ viele Kollegen“ wegbeworben und würden zu Cargo oder in andere Regionen gehen.

Problem liegt bei Ausschreibungsverfahren

Eine kurzfristige Lösung des Problems scheint nicht in Sicht zu sein. Gerhards appelliert, das „eigentliche Problem“ anzugehen – die Streckenausschreibungen. „Wenn man heute eine Ausschreibung gewinnen möchte, muss man sich billig bewerben, weil das billigste Angebot den Zuschlag bekommt“, sagt er. Die Zweckverbände würden ausschreiben und die Verkehrsunternehmen können sich dann bewerben.

„Im Sauerlandnetz hatte DB Regio das günstigste Angebot abgegeben und deswegen die Ausschreibung gewonnen“, so Gerhards. Da die meisten Unternehmen heute Tarifverträge mit der GdL hätten, würden die Mitarbeiter in etwa das gleiche verdienen. Gespart werden müsse daher bei den Anschaffungskosten für Fahrzeuge. „Für eine gewisse Qualität benötigt man nun mal Geld“, sagt Gerhards: „Mit jedem anderen Fahrzeug hätten wir die Ausschreibung nicht gewonnen.“ Solange sich bei der Ausschreibung nichts ändern würde, werden die Probleme nach jeder Ausschreibung auftreten, egal welches Unternehmen gewinne.