Münster/Meschede. . Die Katholikinnen dürfen Kaffee kochen und die Kirche putzen. Zu sagen haben sie gar nichts. Warum das nicht so weitergeht, verraten sie hier.
Es sind nicht die Bischöfe in ihren prunkvollen Ornaten, welche die katholische Kirche am Laufen halten, sondern die Frauen. Die kochen unbezahlt Kaffee, putzen die Gotteshäuser, besuchen die Hilfsbedürftigen und läuten die Totenglocken. Zu sagen haben sie gar nichts. Der Zugang zu den Ämtern bleibt ihnen verschlossen. Noch nicht einmal zum Frauen-Diakonat mag sich der Vatikan überwinden. Diese Diskriminierung akzeptieren die Katholikinnen nicht mehr. Sie treten in den Streik. Die Aktion Maria 2.0 ist in Münster entstanden. Sie findet ein gewaltiges Echo. Sogar in der Schweiz wollen die Frauen vom 11. bis 18. Mai alle ehrenamtlichen Aufgaben ruhen lassen.
In der Gesellschaft werden Frauen heute Bundeskanzlerin, fliegen als Astronautinen zum Mond, transplantieren als Chirurginnen Herzen. Sind sie jedoch Krankenhausseelsorgerinnen, dürfen sie immer noch nicht den Menschen, die sie beim Sterben begleiten, die Krankensalbung spenden.
Veränderung ist notwendig
„Wir wollen sichtbar machen, dass Frauen draußen sind in der Kirche und sichtbar machen, dass wir uns eine Veränderung wünschen“, betont Andrea Voß-Frick. Die Tagesmutter kommt aus Sundern. Seit dem Psychologie-Studium lebt sie in Münster. In einer Lesegruppe der Heilig-Kreuz-Gemeinde haben Andrea Voß-Frick und weitere Frauen dort das apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ von Papst Franziskus studiert. „Aber an einem Abend kam das Thema Missbrauch in den Vordergrund. Das hat uns sehr beschäftigt. Wir haben darüber gesprochen, wie wir es rechtfertigen können, Teil dieses Systems zu sein, zumal ja seit Jahrzehnten Veränderungen eingefordert werden.“
Ein Brief an den Papst
Zum Missbrauchsgipfel Ende Februar in Rom haben die Münsteraner Frauen dem Papst einen Brief geschrieben. „Wir stehen fassungslos, enttäuscht und wütend vor dem Scherbenhaufen unserer Zuneigung und unseres Vertrauens zu unserer Kirche“, heißt es darin. Bis zum 18. Mai kann dieser Brief noch als Online-Petition unterschrieben werden.
Maria 2.0 fordert: Kein Amt mehr für Missbrauchstäter und Vertuscher, Überstellung der Täter an weltliche Gerichte und Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden, Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche, Aufhebung des Pflichtzölibats und Ausrichtung der kirchlichen Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen.
Angelika Haude aus Meschede wird sich zusammen mit anderen Frauen aus der Maria-Himmelfahrt-Gemeinde am Streik beteiligen. „Wir stehen am heutigen Freitag auf dem Wochenmarkt in Meschede und bieten am Sonntag einen Alternativ-Gottesdienst vor der Kirche an, der von Frauen gestaltet wird. Wir wollen zum Nachdenken anregen.“
Lange Liste an Aufgaben
Die 58-Jährige ist Vorsitzende des Pfarrgemeinderates und Lektorin. Wenn sie aufzählt, was Frauen alles ehrenamtlich leisten, wird die Liste lang: Kirchenputzerinnen, Kommunionhelferinnen, Messdienerinnen, Organistinnen, Kollektorinnen, Haussammlerinnen, Flüchtlingshelferinnen. Dazu kommen Besuchsdienste, Kommunionvorbereitung, Firmvorbereitung, Taufpastoral, Büchereien, Andachtengestaltung, Totengebete, Totenläuten, Blumendienst. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge engagieren sich deutlich mehr Frauen ehrenamtlich in der Kirche als Männer. „Da passiert viel im Verborgenen“, weiß Angelika Haude. Den Mund wollen sich die Frauen nicht länger verbieten lassen.
Reaktion aus Paderborn
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker reagiert verhalten auf den Streik. „Das Erzbistum Paderborn hat Verständnis für Menschen, die ihrer Enttäuschung und ihrem Unmut über bestimmte Themen der Kirche Ausdruck verleihen“, steht in einer Mitteilung aus Paderborn. „Besonders zu danken ist allen Ehrenamtlichen, nicht nur, aber in diesem Zusammenhang ganz besonders, den Frauen, die sich zum Teil bereits seit Jahrzehnten in den Gemeinden engagieren.“ Dann werden Kompromisse angemahnt, denn „Menschen, die Veränderungen wollen und vorantreiben, begegnen aber auch immer Menschen, die den jetzigen Stand bewahren möchten oder Angst vor Veränderungen haben. Hier gilt es, einen Weg zu finden, der alle engagierten Kräfte mitnimmt.“
Graswurzel-Aktion
Weiße Farbe in der Kleidung und auf Tüchern soll die streikenden Marias sichtbar machen. In der Fläche laufen die Aktionen ganz unterschiedlich ab. Manche Frauen planen nur einen Gottesdienst, andere betreten tatsächlich eine Woche lang die Kirche nicht und lassen alle ihre ehrenamtlichen Aufgaben ruhen. „Maria 2.0 ist als Graswurzel-Aktion angelegt. Wir bieten auf unserer Internetseite Material zum Herunterladen an. Es ist eine ganz große bunte Vielfalt geworden“, freut sich Andrea Voss-Frick. Das Echo verblüfft sie. „Wir sind erst im Januar gestartet, deshalb überrascht uns die Welle, die da losrollt. Vielleicht wiederholen wir die Aktion im nächsten Jahr.“
www.mariazweipunktnull.de