Paderborn. . Nicht jede Kirche wird in Südwestfalen im Dorf bleiben. Weniger Katholiken: Das bedeutet weitere Wege. Das Erzbistum sieht im Wandel Chancen

Kultur und Gesellschaft in Deutschland sind durch das Christentum geprägt. Doch in absehbarer Zeit werden nur noch ein Drittel der Deutschen überhaupt katholisch oder evangelisch getauft sein. Das ergibt eine Studie, die von der Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche gemeinsam in Auftrag gegeben wurde. Wie wird sich das Land durch den zahlenmäßigen Rückgang der Christen verändern? Ist es dann noch sinnvoll, Weihnachten und Ostern als gesetzliche Feiertage zu begehen, wenn zwei Drittel der Deutschen nicht mehr Mitglied der christlichen Kirchen sind?

Mario Polzer und Thomas Throenle sind Sprecher des Erzbistums Paderborn. Und sie sind gläubige Katholiken. Beruflich und privat treffen die Aussagen der Studie sie also tief. „Wenn man die Zahlen verfolgt hat, kommen die Prognosen nicht überraschend“ , konstatiert Polzer. „Gleichwohl zeigt die Studie, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar jetzt.“

Man muss Prioritäten setzen

Bisher sind Landeskirchen und Diözesen davon ausgegangen, dass demographische Faktoren für den starken Rückgang ursächlich sind. Austritte und Taufen haben jedoch größeren Einfluss auf die Mitgliederzahlen als bisher gedacht. Die Kirchensteuereinnahmen sinken der Studie zufolge real nicht, wohl aber hinsichtlich der Kaufkraft. Wie können die Kirchen ihre Leistungen beibehalten? „Wir müssen jetzt noch einmal nachdenken. Und Prioritäten setzen. Was ist uns wichtig? Wie setzen wir unsere Mittel ein“, so Thomas Throenle.

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Im Erzbistum Paderborn wird der prognostizierte Rückgang 48 Prozent betragen. Damit liegt Westfalen im Mittelfeld. Die religiöse und gesellschaftliche Struktur eines katholisch geprägten ländlichen Raums kann vermutlich ohnehin länger überdauern als die der Metropolen mit ihrer Dynamik und ihrem Zuwanderungsdruck.

Südwestfalen ist eine Abwanderungsregion

Dennoch macht sich das Erzbistum Paderborn Sorgen, ob die Kirche überall im Dorf bleiben kann. „Südwestfalen ist eine Abwanderungsregion. Viele junge Menschen gehen zum Studieren weg. Die wenigsten kommen wieder“, bilanziert Mario Polzer. „Die demographische Komponente verschärft die Situation auf dem Land. Wir wissen nicht, was künftig mit dem ehrenamtlichen Engagement in den Gemeinden passiert.“

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Völlig klar ist bereits jetzt, dass die Wege zur nächsten Kirche und zur nächsten Messe weiter werden. „Weniger Priester, weniger Gottesdienste, weniger Geld. Das Gemeindeleben wird sich verändern“, ist sich Thomas Throenle sicher. Allerdings sieht der studierte Theologe im Wandel auch positive Herausforderungen. „Der Zusammenhalt wird eine andere Bedeutung erfahren. Und das Können von Laien wird zunehmen. Das Christentum ist in der kleinsten Gemeinde präsent, wenn bürgerschaftliches Engagement durch christlichen Glauben grundgelegt ist.“

Der Glaube wird in den Familien vermittelt

Der Glaube wird in den Familien vermittelt. Deshalb werden katholische Kindergärten und Schulen auch in Zukunft hoch oben in der Prioritätenskala rangieren. „Wenn man dem Trend gegensteuern will, muss man auf die Jugend zugehen“, ist Thomas Throenle überzeugt.

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Weniger Sorgen macht Throenle die Kritik, dass das Christentum zur Folklore herabsinkt. Weihnachten mit Deko und Geschenken und die historischen Kirchen als tolle Locations für Hochzeiten? „Vom Segen, der den Brautpaaren gespendet wird, bin ich überzeugt. Man soll Leute, die nur Heiligabend in die Christmette gehen, auch nicht als ,Weihnachtschristen’ diffamieren. Mit einem gut gemachten Gottesdienst kann man Menschen berühren, auch wenn sie kirchenfern sind.“ Mario Polzer ergänzt: „Wir haben als Kirche die Aufgabe zu schauen: Wie können wir bei den Menschen sein. Wie können wir vermitteln, was Weihnachten ist und was die Auferstehung bedeutet.“

In der Veränderung liegt eine Hoffnung: Throenle: „Zum Beispiel kann man innerhalb eines pastoralen Raumes Schwerpunkte setzen, in der einen Kirche auf qualitätsvolle Kirchenmusik und in der Nachbarkirche auf besondere Gottesdienste für Familien und Jugendliche. Wenn es uns gelingt, uns zu profilieren, haben wir eine Chance.“