Hagen. . Ein Schüler aus dem Sauerland wollte vom Goldrausch rund um Zahlungsmittel im Internet (Bitcoins) profitieren und geriet in arge Schwierigkeiten.

Es ist ein Goldrausch wie im 19. Jahrhundert. Nur hat sich der Schauplatz von den realen Lagerstätten in Nordamerika in das Internet verlagert. Die Gold-Nuggets der Neuzeit sind digitale Zahlungsmittel (Kryptowährungen) wie z.B. Bitcoins, die im Internet von Menschen geschaffen („geschürft“) werden, die das große Geschäft wittern. Auch der Sauerländer Schüler Dominik Müller (20, Name von der Redaktion geändert) ließ sich von der Goldgräberstimmung anstecken, kaufte bei einem Händler im europäischen Ausland für einen hohen fünfstelligen Eurobetrag Spezial-Hardware zum Schürfen und versucht jetzt mit Hilfe eines Anwalts aus dem Kaufvertrag und einer geforderten empfindlichen „Ablösesumme“ wieder herauszukommen.

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Das Prinzip des Bitcoin-Schürfens: Man verdient virtuelles Geld dafür, dass man Rechnerleistung zur Verfügung stellt. Neue Bitcoins können nur mithilfe komplizierter Berechnungen geschaffen werden.

„Ich war unvorsichtig“, sagt Dominik Müller, der kein zerstreuter Computer-Nerd ist. Er sitzt in einem Haus im Sauerland und erzählt seine Geschichte. Wegen drohender juristischer Auseinandersetzungen möchte er nicht, dass sein Name erscheint. Er will aber aufzeigen, wie schnell man sich im weltweiten Netz verfangen kann.

Sehr hoher Stromverbrauch

„Im Internet erfährt man, dass jeder zu Hause „Minern“ (Bitcoin-Schürfen) kann“, sagt Müller. Also hat er sich aus Neugier Software heruntergeladen und das Programm an seinem leistungsstarken PC gestartet. Und siehe da: „Ich habe ein paar Cent verdient.“ Müller beißt sich fortan an der Frage fest, „wie man erweitern kann, um Profit herauszuschlagen“. Denn das Schürfen digitaler Geldeinheiten mit Hilfe komplexer Berechnungen verschlingt „extreme Rechnerkapazität“. Folge: ein sehr hoher Stromverbrauch.

Bitcoin-Schürfen: Stromdiebe am Werk

In Sachsen waren jüngst Polizei-Ermittler und das Mendener IT-Forensikbüro von Karsten Zimmer in Bezug auf das Bitcoin-Schürfen Stromdieben auf die Schliche ­gekommen, weil angezapfte Pri­vathaushalte oder Firmen stark gestiegene Energieverbräuche aufwiesen. Dort waren 49 Mining-Computer im Einsatz, um nach digitalen Nuggets zu schürfen. Dies verbrauchte ungefähr so viel Energie wie 30 Haushalte. IT-Forensiker Karsten Zimmer sieht eine ­hohe Dunkel­ziffer: „Ich gehe angesichts der Goldgräberstimmung rund um Kryptowährungen davon aus, dass man bei Recher- ­chen in Strom­netzen auch in anderen Bundesländern wie z.B. NRW schnell fündig würde.“

Digitale Zahlungsmittel werden in einem dezentralen Rechner-Netzwerk erzeugt und verwaltet, in dem einzelne Computer bzw. Serverfarmen in einer Art Wettbewerb mathematische Aufgaben lösen. Der Kurs des virtuellen Geldes, das an Handelsplätzen im Internet („Börsen“) gekauft und verkauft wird, ist von der Nachfrage bestimmt. Jede einzelne Übertragung wird im Rechnernetz verschlüsselt und in der dezentralen Datenbank aneinandergekettet – je länger die Kette, desto größer Rechenaufwand und Energiebedarf. Ein Schürfer bzw. Miner, wie es Dominik Müller werden wollte, stellt Rechenkapazitäten zur Verfügung und erhält als „Lohn“ Kryptowährungen, die er in Euro oder Dollar ausgezahlt bekommen kann.

„Rundum-Sorglos-Paket“

„Wegen der hohen Strompreise ist Bitcoin-Schürfen hierzulande nicht rentabel“, sagt Müller. Was tun? Im Internet findet er die Seite eines Hardware-Händlers im europäischen Ausland mit einem „unschlagbar günstigen Preis“. Der Schüler trifft sich mit ihm. Kurz darauf kommt der Kaufvertrag mit einem „Rundum-Sorglos-Paket“ (Strom, Wartung, Versicherung). Es folgen mehrere E-Mails pro Tag mit Hinweisen auf schwankende Kurse („Wenn Sie kaufen wollen, dann jetzt!“). „Ich fühlte mich unter Kaufdruck“, sagt Dominik Müller, „ich habe dann unterschrieben.“ Ein Preis im hohen fünfstelligen Bereich für die Hardware, Monatsraten im vierstelligen Bereich für das „Rundum-Sorglos-Paket“ und eine Anzahlung im vierstelligen Euro-Bereich. „Weil das Geld des Festgeldkontos nicht verfügbar war, konnte ich die Anzahlung nicht überweisen“, sagt Müller. Sein Händler „bombardiert“ ihn mit Drohungen („Er schrieb mir, wenn ich nicht zahle, hätte das lebenslange finanzielle Folgen für mich“) und schlägt einen Deal vor: „Für die Stornierung sollte ich eine Ablösesumme im fünfstelligen Bereich zahlen.“

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In der Not „beichtet“ der Schüler seinen Eltern seine Aktivitäten. Die ersten Gedanken des Vaters: „Ich habe die Sache mit den Bit­coins erst nicht verstanden. Eine fremde Welt für mich.“ Er kann nicht glauben, dass man so einfach Geld verdienen kann: „Auch nicht im Internet. Im Geschäftsleben bekommt man nichts geschenkt.“

Inkasso-Unternehmen mahnt

Der Vater wendet sich an den Mendener IT-Forensiker Karsten Zimmer und beauftragt einen Anwalt. Dessen Schreiben an den Hardware-Händler bleiben unbeantwortet. Stattdessen hagelt es Mahnungen eines Inkasso-Unternehmens. Der Händler sieht offenbar ein legales Geschäft. „Das Problem ist“, so Müllers Vater, „dass es bei Geschäften dieser Art kein einheitliches internationales Recht gibt. Was in Deutschland illegal ist, kann woanders legal sein. Ein Widerrufsrecht wie bei uns kennt man womöglich andernorts nicht.“

Durch die Zusammenarbeit mit einem Landeskriminalamt weiß IT-Forensiker Zimmer, dass der niederländische Händler auf einer schwarzen Liste der Ermittlungsbehörden steht. „Mit seinem Angebot ermutigt er Internet-Nutzer, womöglich Illegales zu tun.“ Wegen des hohen Stromverbrauchs beim Schürfen habe es bereits Fälle gegeben, in denen sich Kriminelle in Stromnetze hackten und illegal Energie für Serverfarmen bezogen.