Hagen. . Die Pläne des Bundes zur Kürzung der Flüchtlingshilfe stoßen auf Kritik in den Kommunen. „Das gefährdet die Integration“, heißt es aus Siegen.

Am Tag danach ist das Erstaunen – um nicht zu sagen: das Entsetzen – noch nicht verschwunden. Auch nicht in den Amtsstuben Südwestfalens. Ausgelöst hat es Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit seinen Erwägungen, die Zuschüsse des Bundes für die Flüchtlingshilfe der Kommunen recht rigoros zusammenzustreichen.

Zwar sind die Flüchtlingszahlen seit 2015 deutlich gesunken, von knapp 9000 auf 1730 in den Unterbringungseinrichtungen des Landes in Südwestfalen. Doch viele Kommunen fühlen sich alleingelassen. „Für die Stadt Siegen ist es unverständlich, dass über eine Kürzung der Flüchtlingspauschalen diskutiert wird“, sagt André Schmidt, Sozialdezernent der Stadt: „Neben den Integrationsbemühungen der Kommunen werden dadurch auch die grundlegende Unterbringung und Betreuung gefährdet.“

16.000 Euro als Pauschale

In der Diskussion steht, zukünftig eine Flüchtlingspauschale von ­insgesamt 16.000 Euro über fünf Jahre zu zahlen – abnehmend mit der Bleibedauer des Asylbewerbers. 6000 Euro im ersten Jahr, 4000 im zweiten, je 2000 in den Folgejahren. Bisher zahlte der Bund 4,7 Milliarden Euro an die Länder, künftig sollen es nur noch 1,3 Milliarden sein.

Flüchtlinge in Südwestfalen
Flüchtlinge in Südwestfalen © Manuela Nossutta

Es sei offenkundig, „dass die derzeit gezahlten Mittel für die Unterbringung, Beratung, Betreuung und Integration nicht ausreichend sind“, erklärt André Schmidt aus Siegen. Im Durchschnitt haben die Kommunen Aufwendungen – für zum Beispiel Personal, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Verwaltung – von etwa 12.900 Euro pro Jahr pro Leistungsempfänger. Die Kostenerstattung beträgt derzeit 10.392 Euro. „Aufwendungen für geduldete Personen werden darüber hinaus nur bis zum dritten Monat nach Bescheid übernommen“, sagt Schmidt. Tatsächlich blieben Geduldete aber oft deutlich länger. In NRW müssen Großstädte im Schnitt sogar 15.900 Euro pro Person und Jahr aufwenden. „Siegen liegt bei 15.230 Euro“, sagt Schmidt.

Verantwortung der Stadt

Anfang 2016 lebten 1205 Flüchtlinge in den kommunalen Einrichtungen in Siegen. Drei Jahre später sind es nur noch 424. Hinzu kommen 1433 Personen mit einer Wohnsitzauflage. „Hieran ist erkennbar, dass die Stadt hinsichtlich der Unterbringung, Betreuung und Integration weiterhin für eine große Personenzahl Verantwortung trägt und Aufwendungen hat“, sagt Schmidt. Ähnlich ist es in Hagen: Die Zahl der Flüchtlinge in Einrichtungen der Stadt Hagen sank in den vergangenen drei Jahren von 1553 auf 1034.

Die Stadt Olpe wollte sich im Detail zu den neuen Plänen nicht äußern, verwies aber auf die frisch formulierte Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes NRW. „Eine Reform des Flüchtlingsaufnahmegesetzes ist überfällig“, erklärte der Hauptgeschäftsführer Dr. Bernd Jürgen Schneider in Soest vor dem Präsidium des Verbandes. „Die 2018 veröffentlichte Ist-Kosten-Erhebung hat eindrucksvoll belegt, in welchem Ausmaß Städte und Gemeinden bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten in Vorleistung treten. Die Kosten wachsen den Kommunen über den Kopf.“ Kommt es zur debattierten Kürzung, sagt Schneider, „wäre Integration schlechterdings nicht mehr möglich. Die Reparaturkosten durch nicht stattfindende Integration wären erheblich höher als die derzeitigen Aufwendungen.“

Die Stadt Ennepetal äußert – zumindest teilweise – Verständnis für die Erwägungen in Berlin. „Die Überlegung des Bundes, dass mit zunehmender Bleibedauer der Integrationsaufwand geringer werden müsste, ist so abwegig nicht. Das könnte auch als Ansporn dienen, Integration intensiver zu betreiben und zielführender zu organisieren“, heißt es in einer schriftlichen Mitteilung an die Redaktion.

Gezielt kümmern

„Noch immer werden den Städten und Gemeinden in NRW Menschen ohne Bleibeperspektive zugewiesen“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW. „Wer Integration erfolgreich gestalten will, muss Kommunen ermöglichen, sich gezielt um die Menschen zu kümmern, die bei uns bleiben werden. Entscheidende Voraussetzung dafür ist eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung.“