Der Frühling ist da. Wir begrüßen ihn mit populären und weniger bekannten Gedichten. Denn diese Jahreszeit trifft Poeten mitten ins Herz.
Der Frühling ist für die Menschen des vorelektrischen Zeitalters an Leib und Seele existenziell. Das Licht und die Wärme kehren zurück. Die im Winter stets drohende Gefahr von Hungersnöten sinkt, denn es wächst wieder Essbares. Die Welt wird bunt. Deshalb verwundert es nicht, dass keine andere Jahreszeit in so vielen Gedichten besungen wird. Doch die Frühlings-Lyrik hat noch weitere, symbolische Aspekte. Das Wiedererwachen der Natur steht für den ewigen Kreislauf der Erneuerung, für die Hoffnung, für die Liebe.
Besonders die Romantiker huldigen dem Frühling mit Inbrunst. Hier erhalten die Gedichte bereits einen wehmütigen Ton, erlebt der Mensch doch in der aufkommenden Industrialisierung erste Entfremdungserfahrungen mit der Natur; angesichts der wachsenden grauen Städte werden die Bilder vom Lenz umso leidenschaftlicher beschworen. Heute haben wir Licht und Wärme das ganze Jahr über. Dafür ist Lyrik eine verschwindende Literatur-Gattung. Gedichte spielen im Alltag keine Rolle mehr. Weil manches aber nicht anders gesagt werden kann und muss als in lyrischer Form, haben wir die schönsten Frühlingsgedichte für Sie ausgewählt. Einige davon kennen Sie bestimmt. Andere Texte laden zum Entdecken ein.
Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
„Er kam, er kam ja immer noch“,
Die Bäume nicken sich’s zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuss auf Schuss;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muss.
Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: „Es ist erst März
Und März ist noch nicht Mai.“
O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag’s auch du.
(Theodor Fontane 1819-1898)
Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling hinaus ins Weite.
Kling hinaus bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen!
Wenn du eine Rose schaust,
Sag, ich lass sie grüßen.
(Heinrich Heine, 1797-1856 )
Die Wälder und Felder grünen,
es trillert die Lerch in der Luft,
Der Frühling ist erschienen
mit Lichtern und Farben und Duft.
(Heinrich Heine)
Kuckuck, Kuckuck ruft’s aus dem Wald: Lasset uns singen, tanzen und springen! Frühling, Frühling wird es nun bald.
Kuckuck, Kuckuck lässt nicht sein Schrei’n: Komm in die Felder, Wiesen und Wälder! Frühling, Frühling, stelle dich ein!
Kuckuck, Kuckuck, trefflicher Held! Was du gesungen, ist dir gelungen: Winter, Winter räumet das Feld.
(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798 - 1874)
Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Dass von den Blümlein allen,
Dass von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.
Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein.
Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.
(Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)
Wie die Tage macht der Frühling
Auch die Nächte mir erklingen;
Als ein grünes Echo kann er
Bis in meine Träume dringen.
Nur noch märchensüßer flöten
Dann die Vögel, durch die Lüfte
Weht es sanfter, sehnsuchtwilder
Steigen auf die Veilchendüfte.
Auch die Rosen blühen röther,
Eine kindlich güldne Glorie
Tragen sie, wie Engelköpfchen
Auf Gemälden der Historie.
Und mir selbst ist dann, als würd ich
Eine Nachtigall und sänge
Diesen Rosen meine Liebe,
Träumend sing ich Wunderklänge.
Bis mich weckt das Licht der Sonne,
Oder auch das holde Lärmen
Jener and’ren Nachtigallen,
Die vor meinem Fenster schwärmen.
(Heinrich Heine)
Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt’s schon an zu blühn.
Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mir’s doch, als könnt’s nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.
Und der Mond, die Sterne sagen’s,
Und in Träumen rauscht’s der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen’s:
Sie ist deine, sie ist dein!
(Joseph von Eichendorff
1788 - 1857)
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal;
Nun, armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.
(Ludwig Uhland 1787 - 1862)
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
— Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!
(Eduard Mörike 1804 - 1875)
Es ist kein Blümlein nicht so klein,
Die Sonne wird’s erwarmen,
Scheint in das Fenster mild herein
Dem König wie dem Armen,
Hüllt alles ein in Sonnenschein
Mit göttlichem Erbarmen.
(Joseph von Eichendorff)