Hagen. . CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zu Besuch bei der Westfalenpost: „SPD und Grüne wollen andere EU als wir.“
Im Dezember wurde Paul Ziemiak auf einem turbulenten Parteitag zum jüngsten CDU-Generalsekretär der Geschichte gewählt. Jetzt war der Iserlohner zum ersten Mal seit Hamburg bei der WESTFALENPOST zu Gast.
Inzwischen trommeln selbst die Wirtschaftsverbände für die Europawahl – wird die wirklich so entscheidend?
Paul Ziemiak: Ja, es geht bei dieser Wahl um die Politik der kommenden fünf Jahre für unseren Kontinent. Und dabei kommt es nicht nur darauf an, populistischen EU-Gegnern etwas entgegenzusetzen, sondern wir müssen klarmachen, welches Europa wir wollen. Wir Europäer können auf die globalen Fragen unserer Zeit nur gemeinsam antworten, wenn wir Gewicht haben wollen. Deshalb arbeiten CDU und CSU erstmals gemeinsam an einem Europawahlprogramm und haben mit Manfred Weber einen gemeinsamen Spitzenkandidaten.
Ist das nicht etwas spät?
Es wird kein Programm mit mehreren hundert Seiten, das fast niemand liest, sondern wir arbeiten an einem kurzen, konkreten und aktuellen Programm, in dem wir beispielsweise auch Antworten auf die Vorschläge von Frankreichs Präsident Macron geben. Außerdem entscheiden sich die Wähler immer später, und wir wollen keinen Dauerwahlkampf im Land. Der Auftakt unseres Wahlkampfes findet am 27. April in Münster statt.
Was sind denn die zentralen Themen für die Union?
Ich kann das Programm jetzt nicht vorwegnehmen, aber wir brauchen eine verstärkte Abstimmung in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei Wissenschaft und Technologie, in der Terrorabwehr. Was wir nicht brauchen, ist beispielsweise eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung.
Außen- und Sicherheitspolitik sind normalerweise nicht die Wahlkampfrenner...
Wohlstand und Sicherheit sind den Menschen sehr wichtig. Und wir wollen auch Unterschiede deutlich machen: Mit der FDP oder den Grünen geht vieles beim Datenaustausch und in der Strafverfolgung nicht. Und wenn man über gemeinsame Rüstungsprojekte spricht, muss man auch über gemeinsame Export-Richtlinien sprechen, bei Auslandseinsätzen über ein europäisches Mandat, bei stärkerer Verantwortung für die Sicherheit über den Wehretat. Das alles will sagen: Es genügt nicht zu erklären, dass man für Europa ist.
Und wie halten Sie es mit der Digitalsteuer, die Frankreich einführen will?
Es darf keine Schlupflöcher geben, aber wir brauchen auch keine neuen Steuern.
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Wird es eine gemeinsame Flüchtlingspolitik geben?
Zunächst zur Klarstellung: Menschen, die vor Krieg fliehen oder die politisch verfolgt sind, genießen unseren Schutz. Womit wir Probleme haben, ist, wenn Menschen, die sich als solche ausgeben, keine sind und dann unser Land nicht wieder verlassen. Deshalb brauchen wir in der EU gemeinsame Standards, Verfahren und sichere Außengrenzen. Das wollen wir als CDU und CSU auch gemeinsam durchsetzen.
Was soll aus den deutschen IS-Kämpfern werden?
Wer sich dem IS anschließt und schlimme Verbrechen begeht, hat sich völlig von unseren Werten und unserer Gesellschaft verabschiedet. Unsere Position ist daher hier eindeutig: Wir wollen möglichst vielen dieser Verbrecher, wo es rechtlich möglich ist, die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen. Es ist bedauerlich, dass Justizministerin Barley das Gesetz zum Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit für Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft so lange hinausgezögert hat.
Das hätte auch früher nicht rückwirkend gegolten...
Gerade deshalb hätten wir uns beeilen müssen. Durch das Zögern von Frau Barley haben wir zusätzlich unnötige Zeit verloren. Was die derzeitigen Fälle angeht: Wir erwarten von anderen Staaten, dass sie ihre Staatsbürger zurück nehmen. Deshalb sind wir in der Pflicht, deutsche Straftäter auch hier vor Gericht zu stellen.
Mit der Konsequenz, dass sie auf freien Fuß kommen, wenn sich ihnen keine Straftat nachweisen lässt?
So schwer es fällt. Aber wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn jemandem keine Straftat nachgewiesen werden kann, ist eine Verurteilung ausgeschlossen. Umso wichtiger ist daher der Austausch mit den kurdischen Sicherheitsbehörden in der Region.
Haben Sie Sorge, dass die Populisten bei der Europawahl erfolgreich abschneiden?
Man sollte Populisten nicht dadurch aufwerten, dass man sich ständig mit ihnen beschäftigt. Die Union hat sich gut aufgestellt, die Einigkeit von CDU und CSU kommt gut an. Unsere Ideen für die Zukunft Europas unterscheiden sich von denen der Grünen und der SPD. Ich gehe optimistisch in diesen Wahlkampf.
Auf dem Hamburger Parteitag wirkte auch die CDU alleine gespalten...
Das war ein hoch emotionaler Parteitag. Aber sofort danach war allen klar: Wichtig ist, dass wir gemeinsam Erfolg haben. Wir haben uns direkt auf die Arbeit fokussiert, sind viel an der Basis unterwegs, und Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen großartigen Start hingelegt.
Mit einem Ausrutscher in der Karnevals-Bütt?
Es ist doch absurd, über welche Themen wir zurzeit Tage lang diskutieren. Was sollen Menschen von solchen Diskussionen halten, die sich um ihren Arbeitsplatz sorgen oder sich abends in ihrer Straße nicht mehr sicher fühlen? Wenn jetzt von manchen in der SPD und bei den Grünen gefordert wird, dass Kinder sich nicht mehr als Indianer verkleiden dürfen, kann ich nur sagen: Absolute Elitendebatte, die kein normaler Mensch mehr versteht.
Sie selbst wurden auch nach einem Tweet zu Greta Thunberg, der Initiatorin der Schüler-Demos fürs Klima, heftig angegriffen...
Sie hatte gefordert, dass Deutschland sofort aus der Kohleverstromung aussteigen müsse. Ich wies lediglich darauf hin, dass wir auch die Versorgungssicherheit, die Strompreise und die betroffenen Arbeitsplätze beim Kohleausstieg im Blick haben müssen.
Das wurde als herablassend eingestuft.
Ich finde es großartig, wenn sich Schüler politisch engagieren. Ich selbst war schon mit 14 Jahren im Kinder- und Jugendparlament in Iserlohn aktiv. Gerade deshalb nehme ich sie ernst. Die Schüler müssen sich dann aber auch Gegenargumente anhören. Und noch glaubwürdiger wäre es, wenn sie in ihrer Freizeit demonstrieren würden.
Anderes Thema: Wird das noch etwas mit der Grundrente?
Für uns als Union ist klar: Leistung muss sich lohnen. Wer im Leben gearbeitet hat, der muss im Alter mehr haben als jemand der nicht gearbeitet hat. Das haben wir auch so im Koalitionsvertrag vereinbart und wir wollen das jetzt auch so umsetzen. Das von Arbeitsminister Heil vorgelegte Konzept ohne eine Bedürftigkeitsprüfung entspricht nicht dem Koalitionsvertrag. Vielmehr enthält es viele neue Ungerechtigkeiten: Eine alleinerziehende Mutter mit kleinem Einkommen, die 30 Jahre Vollzeit gearbeitet hat, bekommt dann weniger Rente als eine vermögende Person, die ein ganzes Arbeitsleben freiwillig in Teilzeit beschäftigt war. Das kann doch nicht richtig sein. NRW-Arbeitsminister Laumann hat stattdessen eine Plus-Rente vorgeschlagen, einen Aufschlag auf die Grundsicherung, bei dem es auch einen klaren Zusammenhang gibt mit der Höhe der Beitragszahlungen. Dieser Vorschlag geht in die richtige Richtung. Ich hoffe sehr, dass wir mit der SPD bald zu einer Lösung kommen. Dabei dürfen wir aber nicht die Finanzierung aus dem Auge verlieren. Unser Land steht auch in anderen Bereichen vor großen Herausforderungen – wie im Bereich der Digitalisierung und Erhalt und Ausbau unserer Infrastruktur. Diese Zukunftsaufgaben haben für mich eine hohe Priorität.