Hagen. . Im Regierungsbezirk sind nach neusten Zahlen 884 Lehrerstellen unbesetzt. Helfen, den Mangel zu stoppen, soll ein 6-Punkte-Plan und eine Warnung.
Wenn Monika Nienaber-Willaredt, Leiterin der Schulabteilung bei der Arnsberger Bezirksregierung, über Grundschulen und Berufskollegs spricht, verwendet sie gern das Wort „Sorgenkinder“. In keiner anderen Schulform ist die Zahl unbesetzter Stellen so hoch wie dort. Glaubt man den feinsäuberlich errechneten Prognosen für die kommenden Jahre, wird sich der Lehrermangel gerade in diesen Bereichen noch weiter verschärfen. Es herrscht Handlungsbedarf.
Geringe Einstellungschancen
„Die Prognosen zeigen uns, dass immer noch viele junge Menschen am Lehrerberuf Interesse haben – allerdings bezieht sich dieses Interesse hauptsächlich auf die Sekundarstufe II (z.B. gymnasiale Oberstufe, d. Red.)“, sagt Monika Nienaber-Willaredt. Dort soll es in den kommenden zehn Jahren zu einem Überhang von 20.000 Lehrern kommen – während sie woanders fehlen. „Über diese Entwicklungen muss informiert werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass junge Menschen in die Arbeitslosigkeit studieren“, warnt die Schulexpertin.
Bevorzugte Fächer in der Sekundarstufe II: Geschichte, Katholische Religionslehre, Pädagogik, Philosophie, Spanisch, Italienisch. In den Listen von Monika Nienaber-Willaredt sind diese Fächer Rot gefärbt. Heißt: geringe Einstellungschancen. „Mit einem Studium für das Lehramt für die Sekundarstufe I haben die Studierenden mit fast allen Fächern beste Einstellungschancen. Gleiches gilt für die Lehrämter Sonderpädagogik, Primarstufe und Berufskolleg“, sagt Monika Nienaber-Willaredt.
Doch die Problematik kommt nicht von ungefähr. Grundschullehrer absolvieren mittlerweile ein gleichwertiges Studium, verdienen aber deutlich weniger. 500 bis 600 Euro netto beträgt der Unterschied – monatlich. „Das ist ganz klar ein Hindernis“, klagt Michael Schulte, Landesverbandsvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Umso weniger sei das nachzuvollziehen, weil in der Grundschule „der Grundstein für die Bildungsbiographie“ gelegt werde, wie Schulte sagt.
Stadt-Land-Gefälle
In Südwestfalen sind es überraschend vor allem die größeren Städte wie Hagen und Siegen, in denen es prozentual besonders an Grundschullehrern fehlt, weil die Bevölkerung dort wächst. Es gäbe „ein Stadt-Land-Gefälle“, sagt die Expertin und weist darauf hin, dass sich Lehrer die Schule heutzutage aussuchen können. „Schulen sind für Lehrkräfte dann attraktiv, wenn sie gute Arbeitsbedingungen vorfinden. Dazu zählen auch baulicher Zustand oder mediale Ausstattung einer Schule.“
478 Lehrerstellen sind allein in Südwestfalen unbesetzt. Die Bezirksregierung will nun mit einem sechs Punkte umfassenden Maßnahmenpaket gegensteuern.
Beratungsstrukturen aufbauen
Erster und wichtigster Punkt: Betroffene Studenten sollen an der Universität „gezielt über die aussichtslose Einstellungssituation aufgeklärt werden“, wie Monika Nienaber-Willaredt sagt. Die Beratungsstrukturen entwickelt das Land derzeit.
Zweitens: Der Kreis der potenziellen Bewerber für einen Seiteneinstieg soll erweitert werden.
Drittens: Verbeamtungsperspektiven sollen geschaffen werden.
Viertens: Lehrer sollen auch im Pensionsalter noch arbeiten dürfen – und dafür zusätzliches Geld einstreichen.
Fünftens und sechstens: Oberstufenlehrer sollen für die Sekundarstufe I gewonnen werden, indem sie nach vierjährigem Einsatz dort die Besoldungsstufe von A12 auf A13 emporklettern dürfen. Im aktuelle Schuljahr sind bereits 646 zusätzliche Stellen geschaffen worden.