Hagen. . Pedal-Aktivisten sammeln in ganz NRW Unterschriften für eine Mobilitätswende. Anteil des Radverkehrs soll bis 2025 auf 25 Prozent steigen.
Es ist kalt. Oft dunkel. Eventuell glatt. Und Radwege werden meist als letzte geräumt oder gestreut. Radfahren im Winter kann stressig sein. Aber immer mehr Menschen tun es. Oder würden es gerne tun. Wenn es nicht diese ganzjährigen Probleme gäbe: mangelnde Infrastruktur. Und infolgedessen: Angst. Aber das soll sich ändern, haben sich Pedal-Aktivisten in ganz NRW vorgenommen. Sie sammeln seit Juni 2018 Unterschriften, um eine Verkehrswende und ein Fahrradgesetz auf den Weg zu bringen. 66.000 müssen es bis zum kommenden Sommer werden, damit sich der Landtag mit der Volksinitiative beschäftigt – bei mehr als 100 Unterstützer-Vereinen und mehr als 300 Sammelstellen müsste das zu schaffen sein.
Unterschriftensammlung in Südwestfalen
Wer den „Aufbruch Fahrrad“ unterstützen will, hat die Möglichkeit, seine Unterschrift zu leisten in: Siegen, Hagen, Iserlohn, Menden, Kreuztal, Olpe, Gevelsberg, Wetter, Herdecke, Arnsberg, Sundern und Lüdenscheid.
Alle Infos unter www.aufbruch-fahrrad.de
Der in Köln lebende Schmallenberger Jens Greve (46) unterstützt das Aktionsbündnis „Aufbruch Fahrrad“ und berichtet zur Begründung vom letzten Sommer: „Ich habe mit meinen Kindern versucht, die Zentren von Bad Fredeburg und Schmallenberg zu erreichen, um ein Eis zu essen. Das wurde zu gefährlich, weil Autos mit ganz geringen Abständen überholten, und wir mussten zu Fuß weitergehen.“
Eine Million Parkplätze
Die Hauptforderungen: mehr Radwege, mehr Sicherheit, mehr Fahrradexpertise in Behörden, finanzielle Förderung von Lastenrädern, eine Million neue Fahrradparkplätze, E-Bike-Ladestationen und kostenlose Mitnahme von Rädern im Nahverkehr. Der Anteil des Radverkehrs soll so von heute 8 auf 25 Prozent im Jahr 2025 steigen. Vorbild für die Initiative war eine Arbeitsgruppe für einen Volksentscheid in Berlin. Es geht darum, den Akteuren in Politik und Verwaltung zu zeigen, dass viele Menschen sich eine Mobilitätswende wünschen. Immerhin hätten laut einer Studie des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2014 82 Prozent der Deutschen gerne weniger Autoverkehr in den Städten und würden ihre Ziele lieber mit dem Fahrrad erreichen können.
Der Iserlohner Martin Isbruch erreicht seine Ziele meist mit dem Fahrrad. Der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) für den Märkischen und den Hochsauerlandkreis fährt 6500 bis 9000 Kilometer im Jahr. Sieben Kilometer sind es von zu Hause bis zu seiner Schule – „oder fünfeinhalb, wenn ich über den Berg fahre“. Die ersten anderthalb Jahre pendelte der 41-Jährige Lehrer mit dem Auto, „dann kam das Pedelec“. Das nutzt er seitdem fast täglich. Schaffen würde er die Strecke auch mit dem normalen Fahrrad – „Biobike“ sagt er dazu –, aber dann käme er verschwitzt an. Im Winter nutzt er Spikes, bei Regen trägt er entsprechende Kleidung und hohe Wanderschuhe.
Wo ist also sein Problem? „In unserer Region liegt es vor allem bei den Verbindungen zwischen den Dörfern im Argen, entlang der Bundes- und Landesstraßen. Da müsste das Land Radwege fördern. Da bräuchten die Behörden mehr Expertise, auch dazu, welche Töpfe es dazu gibt.“
Viele haben Angst
„Viele Leute haben Angst, Fahrrad zu fahren“, sagt Daniel Neumann. Er ist Vorsitzender des ADFC Siegen/Wittgenstein. „Wir hören immer wieder Klagen über knappe Überholvorgänge auf vierspurigen Straßen, über das Fehlen durchgehender Radwegverbindungen“, berichtet er. Das gelte für viele Wege aus den Stadtteilen ins Siegener Zentrum und die Strecken Richtung Olpe. Er kritisiert, dass die Stadt Siegen nicht ernsthaft genug an der Verbesserung der Infrastruktur arbeite: „Es gibt viele Fördermöglichkeiten. Da müsste man Pläne in der Schublade haben.“
Jens Greve sagt es so: „Die Idee der autogerechten Stadt aus den 50er/60er Jahren hat sich bis heute nicht wesentlich geändert. Deshalb entstehen immer wieder gefährliche Situationen für Radfahrer.“ Alle politischen Entscheidungsträger müssten sich fragen lassen: „Würden Sie Ihr Kind mit dem Fahrrad zur Schule fahren lassen?“ Wenn das für alle Eltern in NRW möglich wäre, würden alle Menschen profitieren, sind sich die Initiatoren von „Aufbruch Fahrrad“ sicher.
Und wenn es nicht in die Schule geht, sondern in die Eisdiele, wäre das auch okay. Wird ja bestimmt mal wieder Sommer. Dann werden die Unterschriften gezählt. Spannung? „Wir haben in Iserlohn und Menden schon mehr als 1000“, sagt Martin Isbruch. Und weil in den Großstädten die Rad-Lobbyisten deutlich aktiver sind, müssen sich Fahrradfreunde wohl keine Sorgen machen. Was dann passiert? Der Druck, dass etwas passiert, dürfte zumindest steigen.