Hagen. . Verhüten mit einer Smartphone-App? Das ist höchst gefährlich, warnen die AWO-Beratungsstelle und ein Hagener Frauenarzt.
„Menstruations-Apps sind eine regelrechte Mode-Erscheinung“, sagt Jutta Proske. Vor drei Jahren sei es langsam los gegangen mit diesen Apps, im vergangenen Jahr habe es eine extreme Häufung an Nutzerinnen gegeben, schaut die Einrichtungsleiterin der AWO-Beratungsstelle für Schwangerschaftsprobleme und Familienplanung besorgt drein. Besorgt, da diese Apps eine Zuverlässigkeit vorgaukeln, die sie nicht halten. Menstruations-Apps können meist einfach und kostenlos aufs Smartphones runtergeladen werden. Sie sollen den Benutzerinnen helfen, ihren Zyklus im Blick zu behalten. Die App berechnet, wann die nächste Regelblutung voraussichtlich sein wird und zeigt das Einsetzen der Periode rein mathematisch an. Außerdem wird der Zeitraum für den Eisprung sichtbar. „Doch gerade das blinde Vertrauen in die Technik kann verhängnisvoll werden, wenn Frauen die App als Verhütungsmethode einsetzen“, sagt Jutta Proske.
Für viele Nutzer attraktiv
Auch ihre Kollegin Helena Scherer wird in der Beratungsstelle immer häufiger mit der App konfrontiert und hat sie sich, um mitreden zu können, auch selbst auf ihrem Smartphone installiert. „Die App macht Unsichtbares rund um den Zyklus sichtbar – das ist für viele attraktiv“, erklärt die AWO-Beraterin.
Die App wird mit verschiedenen Informationen wie Einsetzen und Stärke der Periode gefüttert. Außerdem kann man zusätzliche Infos wie Stimmungsschwankungen oder Verdauungsprobleme angeben. „Fest steht, dass der weibliche Eisprung nicht exakt mathematisch berechenbar ist und Faktoren wie Stress, Infektionen oder Medikamente den Zyklus verändern können“, sagt Helena Scherer und fügt an: „Außerdem können männliche Spermien fünf bis sieben Tage im weiblichen Körper vital bleiben.“
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Weitere Fallstricke: Beim Installieren der Apps wird zwar darauf hingewiesen, dass sich diese nicht als Verhütungsmittel eignen, doch wird dies, je nach Anbieter, in englischer Sprache beschrieben oder lässt sich leicht übersehen. „Und was mit den persönlichen Daten geschieht und wer sie zu welchen Zwecken nutzt, steht auch nicht fest“, warnt Beraterin Scherer.
In der AWO-Beratungsstelle in der Dödterstraße 1 werden pro Jahr etwa 200 Gespräche im Bereich Konfliktberatung geführt, in 80 Gesprächen geht es rein ums Thema Verhütung. „Im vergangenen Jahr haben uns mindestens 20 Frauen berichtet, dass sie ungewollt schwanger geworden sind, da sie sich auf die Menstruations-App verlassen haben“, sagt Jutta Proske. Allein in der vorletzten und letzten Woche seien es zwei verzweifelte Frauen gewesen.
Ohne Zweifel gebe es einen Zusammenhang zwischen einem geringen Bildungsstand und einem schlechten finanziellen Background. Trifft beides zusammen, wird oft gar nicht oder verantwortungsloser verhütet. „Und auch Alleinerziehende – diese Gruppe ist von einem hohen Armutsrisiko betroffen – verhüten häufig nicht richtig“, so die Einrichtungsleiterin.
In vielen Städten kostenfreie Mittel
Sämtliche Beratungsstellen in Hagen würden sich seit Jahrzehnten dafür einsetzen, dass finanziell schlecht gestellten Frauen kostenfreie Verhütungsmittel zur Verfügung gestellt würden, „das würde auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche verringern“, so Jutta Proske. Es gebe etliche Städte, die für die Unterstützung besagter Frauen finanzielle Mittel bereitstellen würden, „Hagen aber leider nicht“.
Daher hat die AWO einen Fonds eingerichtet. „Um Frauen in finanzieller Not zu helfen, beteiligen wir uns an den Kosten für Spirale oder Sterilisation – allerdings nur mit geringem Anteil“, so Jutta Proska. Um den Fonds aufzustocken, werden Spenden benötigt (Sparkasse Hagen-Herdecke, IBAN DE 63 4505 0001 0100 0121 40; Stichwort „Verhütungsmittelfonds“.