Hagen/Siegen. . Annähernd 20.000 Studiengänge gibt es Deutschland. Schüler haben die Qual der Wahl. Was Studienberater in Südwestfalen empfehlen.

492 Treffer. Von A wie „Aisthesis. Kultur und Medien“ in Eichstätt. Bis W wie „Wirtschaft/Technik/Haushalt/Soziales“ an der Universität Leipzig. Studiengänge, die laut Interessenstest der Hochschulrektorenkonferenz zu 100 Prozent zu den Neigungen der Autorin passen. Darunter auch „Alevitische Religion“ in Hamburg, „Cultural Engineering“ in Magdeburg und „Waldorfpädagogik“ in Mannheim. Fächer, an die die Testperson im Traum nie gedacht hätte.

Ein Selbstversuch, der zeigt, wie schwierig es für Schüler kurz vor dem Abitur sein muss, das richtige Studium zu finden. Gut 19.500 Studiengänge gibt es in Deutschland. Vor zehn Jahren waren es noch 12.000.

Im Informationsdschungel

45 Fachstudiengänge sind es an der Uni Siegen, dazu 9 Lehramtsstudiengänge. 55 Studiengänge gibt es an der Fachhochschule Südwestfalen, 17 an der Uni Witten/Herdecke und dazu noch 25 Fernstudiengänge in Hagen. Auch in der Region ist die Auswahl also groß.

Marvin Klüngel soll Museumspädagogik studieren. Jedenfalls dem Interessenstest zufolge, den er mitgemacht hat. „Das wird es bestimmt nicht“, wehrt er ab. Theologie ist angeblich das Richtige für Luca Curella laut der Potenzialanalyse, der er sich unterzogen hat. „Das kam schon etwas überraschend für mich“, sagt der 18-Jährige trocken.

Studieren in Deutschland
Studieren in Deutschland © Manuela Nossutta / Grafik

Nun sind die beiden mit mehr als 1400 anderen Schülern zur „Woche der Studienorientierung“ an die Uni Siegen gekommen, um sich irgendwie einer Entscheidung anzunähern. Denn im Sommer haben sie das Abitur in der Tasche. „Irgendwas mit Medien“ lautet der Titel der Veranstaltung, die sie sich herausgesucht haben. Eine Überschrift, die symbolisch dafür steht, wie vage die Vorstellungen vieler Schüler noch sind.

„Es ist schon echt schwierig“, sagt Marvin Krügel. Zumal, wenn man noch nicht einmal ganz sicher sei, ob ein Studium das Richtige sei oder eine Ausbildung nicht doch die bessere Wahl wäre, fügt er hinzu. „Wir stellen definitiv eine zunehmende Verunsicherung der Schüler fest und einen erhöhten Bedarf an Orientierungshilfe“, bestätigt Sabine Knipps, Leiterin der Allgemeinen Studienberatung der Fachhochschule Südwestfalen. Diese Verunsicherung sei durch das umfangreiche Studienangebot in Deutschland entstanden. „Es ist für Studieninteressierte schwer möglich, sich ohne Unterstützung in diesem Informationsdschungel zurechtzufinden.“

Mit Bauchgefühl

Aber es ist nicht das große Angebot allein, das die Wahl zur Qual macht, glaubt Ute Klinner-Krebs von der zentralen Studienberatung in Siegen. Es seien auch die Anforderung der Gesellschaft und der Unternehmen an die Jugendlichen: Jung JJung sollten sie sein, das Studium schnell absolvieren und zügig ins Berufsleben einsteigen, glaubt die Studienberaterin.

Ihre Tipps für die Wahl des Studiums: Sich klar machen, was einem Spaß macht. Und was einem wichtig ist. In eine Großstadt ziehen? Zuhause bleiben? Ein ganz bestimmtes Fach studieren? „Man muss sich darüber klar werden, was Priorität hat.“ Den Verstand einzuschalten, sei bei der Entscheidung wichtig, „aber das Bauchgefühl ist es auch“.

Auch interessant

Von Nina Grunsky

Dabei kann vielleicht sogar ein Interessenstest – wie von der Hochschulrektorenkonferenz angeboten – helfen. „Diese Tests sind grundsätzlich sinnvoll, da Schüler einen Prozess der Selbstreflexion beginnen“, sagt Sabine Knipps. „Man sollte sich weniger auf die Ergebnisse als vielmehr auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Person konzentrieren und aus der Beantwortung der Fragen Erkenntnisse gewinnen.“ Die persönliche Beratung könne ein solcher Test nicht ersetzen, betont Ute Klinner-Krebs.

Marvin Klüngel hat drei Anforderungen an ein potenzielles Studienfach: Spaß soll es machen, eine sichere Jobperspektive bieten und man müsse damit später nach dem Abschluss Geld verdienen können. Alle drei unter einen Hut zu bekommen, sei schwierig, räumt er ein: Spaß hat er vor allem an Sport und Kunst. Der Vortrag über Medienwissenschaft hat ihm jedenfalls gut gefallen. Aber Informatik ist für ihn auch noch eine Option. Deshalb will er sich noch Zeit lassen, in Praktika ausprobieren und erst im kommenden Jahr mit dem Studium beginnen. „Ich möchte nicht Zeit verlieren, weil ich mich für den falschen Studiengang entschieden habe.“

Den Neigungen folgen

Ute Klinner-Krebs, Zentrale Studienberatung der Uni Siegen
Ute Klinner-Krebs, Zentrale Studienberatung der Uni Siegen © Nina Grunsky

Jeder dritte Bachelor-Student bricht sein Studium ab, wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung im Jahr 2017 ergeben hat. Zum Trost: „Die überwiegende Mehrheit der Studienabbrecher gestaltet nach Verlassen der Hochschule ihren weiteren Bildungs- und Berufsweg erfolgreich: Ein halbes Jahr nach Verlassen der Hochschule haben 43 Prozent von ihnen eine Berufsausbildung aufgenommen und 31 Prozent sind erwerbstätig“, so das weitere Ergebnis. „Nach ein bis zwei Semestern zu wechseln – das ist kein Verlust, sondern eine Bereicherung“, ist auch Ute Klinner-Krebs überzeugt. „Die ungeraden Lebenswege kommen oft auch gut an“, weiß sie.

In Medienwissenschaft jedenfalls sind die Arbeitsmarktaussichten „nach meinem Eindruck, auch wenn ich keine Statistik habe, sehr gut“, wirbt Professor Peter Matussek im Vortrag „Irgendwas mit Medien“ für sein Fach. „Aber machen sie die Jobaussichten nicht zur Hauptfrage. „Das Wichtigste ist, dass man seiner Neigung folgt, sich ausprobiert, seine Talente kennenlernt. Dann sind sie garantiert erfolgreich, weil sie überzeugen.“