Menden. . Die Mendener Firma HJS ist Spezialist für Abgas-Nachrüstsysteme. Bei Pkw will man sich aus Kostengründen aber heraushalten.
Vor gut 15 Jahren hat der Mendener Unternehmer Hermann J. Schulte aus den Händen des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau den deutschen Umweltpreis für eine herausragende technologische Entwicklung erhalten. Sein Unternehmen, HJS, hatte einen hochwirksamen Dieselpartikelfilter erfunden und damit einen wesentlichen Beitrag geleistet, Luftverschmutzung durch Abgase zu reduzieren. Das mittelständische Unternehmen gilt in der Branche als der größte Spezialist für Abgasnachbehandlung und hat auch bei der Entwicklung mit NOx-Filtern die Nase vorn, wenn es um die Nachrüstung von Bussen und Lkw geht – und in Zukunft vielleicht auch bei Transportern für das Handwerk. Aber: „Bei Pkw halten wir uns raus, aus ganz vielen Gründen“, sagt Stefan Lefarth rigoros.
Konkurrent Baumot aus Witten bleibt optimistischer
Diese strikte Haltung hat nichts damit zu tun, dass man eine Hardwarenachrüstung (mindestens) für Euro 5 Diesel-Pkw für unsinnig hält. Im Gegenteil. Für einen Mittelständler wie HJS ist das mit Entwicklung und Produktion verbundene finanzielle Risiko schlicht zu hoch. „Das wäre nur im ganz engen Schulterschluss mit den Originalherstellern (OEM) leistbar“, sagt Lefarth. Und selbst dann seien die Anlaufkosten im zweistelligen Millionenbereich gemessen an den zu erwartenden Absätzen zu hoch. Es ist nämlich völlig anders als im Jahre 2003 mit dem Partikelfilter. Damals sei klar gewesen, dass alle mitmachen, also auch alle Autobauer.
Heute scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Die Bundesregierung diskutiert lieber darüber, ob die seit Jahren feststehenden Grenzwerte nicht doch irgendwie ausgehebelt werden könnten, um Dieselfahrverbote in deutschen Städten zu verhindern. Innerhalb der Regierung streiten sich Umweltministerin Svenja Schulze als vehemente Befürworterin der Hardwarenachrüstung und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der, ganz im Sinne der Automobilindustrie, erst möglich lange auf der Bremse stand und schließlich in den Kompromissvorschlag zwar zähneknirschend Hardwarenachrüstung als Möglichkeit mit aufführen ließ, aber möglichst viele bürokratische Hürden und Umwege einbauen ließ, dass eine massenhafte Nachrüstung von älteren Diesel-Pkw wie eine Utopie erscheint.
Rolle Rückwärts von VW
Mit Daimler und VW erklärten sich zunächst ohnehin nur gerade einmal zwei deutsche Hersteller bereit, eine solche Nachrüstung ab 2020 (!) zuzulassen und zu unterstützen. BMW lehnte ab und der VW-Konzern hat inzwischen bereits wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Wer also ein Fahrzeug des Wolfsburger Konzerns nachrüsten ließe, führe demnach ein völlig neues Fabrikat. VW will dann damit nicht mehr zu tun haben. Dabei beruhen die NOx-Nachrüstsysteme wie sie HJS-Konkurrent Baumot Technologies (Witten) beispielsweise für das Volumenmodell Passat serienreif entwickelt hat, zu über 90 Prozent auf Serienbauteilen. Dass bislang kein VW-Fahrer zum No-Name-Fahrer geworden ist, liegt am Kraftfahrtbundesamt (KBA), das dem Bundesverkehrsministerium nachgeordnet ist. Baumot hat sein Nachrüstsystem seit rund einem Jahr marktreif, aber das KBA hat immer noch keine Straßenverkehrszulassung erteilt.
Auch für Transporter immer noch keine zugelassenen Systeme
Auch für die Nachrüstsysteme für Transporter, wie sie beispielsweise das Handwerk gebrauchen könnte, gibt es bis heute noch keine zugelassenen Systeme. Ein Umstand, den Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund, in deren Bezirk reichlich von Fahrverboten bedrohte Unternehmen angesiedelt sind, scharf kritisiert: „Es gibt weiter viele Unsicherheiten bei diesem Thema, die die Inanspruchnahme der Förderung erschweren. Beispielsweise gibt es eben noch keine zugelassenen Nachrüstsätze.“ Deshalb seien die Handwerker auch auf Kostenschätzungen angewiesen, wenn sie einen Förderantrag stellen wollen. ohnehin decke die Förderung nur einen teil der Kosten ab. „Das ist nicht zumutbar“, sagt Schröder, der hier ganz klar die Fahrzeugindustrie in der Verantwortung sieht.
Auch das Mendener Unternehmen HJS sieht bei der Nachrüstung von Transportern noch Fragen offen. Anders als bei kommunalen Fahrzeugen, die mit bis zu 80 Prozent gefördert werden, liege die Bezuschussung aktuell lediglich bei 40 bis 60 Prozent und maximal 3800 Euro. „Ein System für Transporter bis 7,5 Tonnen (zulässiges Gesamtgewicht/Anmerkung der Redaktion) liegt zwischen 4000 und 5500 Euro“, beziffert Stefan Lefarth.
Noch keine Freigaben für Nachrüstsysteme
Die Skepsis beim Unternehmen HJS scheint begründet: Im Diesel-Kompromiss Ende 2018 wurde die Möglichkeit der Hardwarenachrüstung von Pkw durch SCR-Katalysatoren mit Heizsystemen theoretisch zugelassen.
Praktisch gibt es aber immer noch keine Freigabe für Systeme, wie sie bspw. Baumot Technologies (Witten) für Pkw oder auch HJS für Transporter entwickelt hat.
Zudem hatten sich lediglich Daimler und VW bereit erklärt, eine Nachrüstung zu unterstützen.
Inzwischen ist VW davon bereits wieder abgerückt.
Anders als bei Pkw-Nachrüstung sieht HJS hier durchaus einen Markt, wenn die Rahmenbedingungen sich verbesserten. Im Gegensatz zu Pkw ist der Transportermarkt viel übersichtlicher, es gibt weniger Modelvarianten und mehr Bauraum, um die Abgasanlage problemlos nachzurüsten. Ein von HJS ausgerüsteter Fiat Ducato wurde vergangenes Jahr bereits vom Automobilclub ADAC getestet. Ergebnis: Selbst bei ungünstigen Bedingungen (niedrige Temperaturen) und Kaltstart reduzierten sich die Stickoxidwerte mit SCR-Kat um über 50 Prozent. „Das Grundprodukt steht, eine Serienproduktion wäre bereits im zweiten Quartal dieses Jahres möglich“, sagt Lefarth. Eigentlich gute Nachrichten. Auf einen Umweltpreis wie 2003 dürften die Sauerländer dennoch nicht hoffen, dafür ist die Dieseldebatte rund fünfzehn Jahre später wohl zu vergiftet.