Freudenberg.. Freudenbergs historischer Stadtkern mit seinen Fachwerkhäusern ist zum weltweit beliebten Fotomotiv geworden. Ein Ort zum Träumen für Touristen


Dieter Siebel ist „Flecker“, so werden die Bewohner des „Alten Fleckens“ in der Freudenberger Altstadt genannt. „Es gibt keinen Besucher, der unser Fachwerk-Viertel nicht auf seinem Smartphone festhält“, sagt der 81 Jahre alte Siegerländer, der gerne als Stadtführer durch seine Heimat führt. „Ein einmaliges und mittlerweile weltweit bekanntes Fotomotiv.“ In sozialen Netzwerken wie Instagram werden Bilder der alten Fachwerkhäuser zuhauf verbreitet, internationale Tageszeitungen und Magazine drucken die „terrassenförmige Ansammlung von Fachwerkhäusern“ ab, wie es Siebel ausdrückt.

Wenn der Freudenberger die Geschichte von den beiden Amerikanerinnen erzählt, muss er des Öfteren betonen, dass sie nicht frei erfunden ist. Sie hatten zum 50. Geburtstag von ihren Ehemännern eine Europareise geschenkt bekommen. Weil der Flieger am Airport Chicago Verspätung hatte, wurden sie in die Lufthansa-Lounge eingeladen. Bei einem Stück Schwarzwälder Kirschtorte („ja, wirklich!“) sahen sie auf das Reisebild an einer Wand des Wartebereiches.

Faszination in schwarz-weiß

Man möchte vermuten, dass ihnen fast die Kuchengabeln aus der Hand gefallen sind. „Sie erzählten mir, dass sie so fasziniert von den schwarz-weißen Häusern waren, dass sie unmittelbar nach der Landung in München fragten, wie weit es nach Freudenberg ist.“

Während des Deutschland-Aufenthalts sagten die beiden Damen kurzerhand die Teilnahme an der Tagesfahrt nach Heidelberg ab, mieteten sich einen Leihwagen und wurden nach mehrstündiger Fahrt mit der Schönheit des Fachwerk-Ensembles im Siegerland belohnt. Sie hatten ihr Herz an Freudenberg verloren.

Auch die Amerikanerinnen mussten die Treppenstufen zum Hügel am Kurpark gegenüber dem „Alten Flecken“ hinaufsteigen, um die optimale Fotografier-Position zu erreichen. „Wir Flecker nennen den Ort Asthmahügel“, sagt Dieter Siebel, „weil es ins­besondere für ältere Menschen ­anstrengend ist, dort hochzukommen.“ Der steile Weg hinauf soll eine Steigung von 18 Prozent ­haben.

Gut zu Fuß sind in der Regel die asiatischen Reisegruppen, die mittlerweile per Touristenbus regelmäßig nach Freudenberg geführt werden. „Meist mittwochs schwärmen sie für eine Stunde aus, um im oder vom ,Flecken’ Fotos zu machen und sind von dieser ganz speziellen Romantik begeistert.“ Das Interesse in Japan beispielsweise sei mit einer TV-Sendung über Freudenberg vor drei Jahren geweckt worden. Eine Fluggesellschaft in Taiwan habe ein Bild der Fachwerk-Idylle auf der Titelseite eines Werbeflyers veröffentlicht, so Siebel.

Schon lange bevor der „Alte Flecken“ bei Instagram & Co. zum Renner wurde, waren Fachwerkhäuser aus der Region bereits dem internationalen Kunstpublikum ein Begriff. Zwischen 1959 und den 1970er Jahren fotografierte das berühmte Künstlerpaar Bernd und Hilla Becher ihre „Siegerländer Fachwerkhäuser“. Die Werke wurden unter anderem im Museum of Modern Art und im Guggenheim Museum in New York ausgestellt.

Entstanden ist der historische Stadtkern „Alter Flecken“ im 17. Jahrhundert nach einem Stadtbrand. Seitdem besteht er nahezu unverändert. „Keine Gärten, kaum Parkplätze, die Häuser dicht an dicht“, sagt Dieter Siebel. Von weitem, sprich: vom Kurpark-Hügel, sehe es nach einem uniformen Fachwerk-Ensemble aus, so der Freudenberger, zumal fast alle Giebel nach Osten gerichtet sind. „Bei näherem Betrachten sehen Sie aber, dass jedes der 82 denkmalgeschützten Häuser individuell ist.“

Architektonisch einzigartig

Für Dieter Siebel ist es ein einzigartiges Stadtbild, ein einmaliges Panorama. Er kann seine Freude nicht verhehlen, „dass eine Kleinstadt aus dem Siegerland weltweit Interesse findet“. Den Fotografen Johannes Höhn wundert der Siegeszug des Motivs in sozialen Netzwerken nicht: „Der ,Alte Flecken’ vermittelt so etwas wie Gemütlichkeit und Zusammengehörigkeit. Er ist ein architektonisch einzigartiger Ort, der zum Träumen anregt. Diese Kombination läuft sehr gut bei Instagram & Co.“

Die Freudenberger jedenfalls wollen sich für eine besucherstarke Zukunft wappen. Der Kurpark mit dem Foto-Hügel soll in neuem Glanz erscheinen. „Und es soll ein Café eröffnet werden“, sagt Dieter Siebel. Womöglich mit Schwarzwälder Kirschtorte.