Ense/Werl. . Die Übernahme von Kettler durch den Finanzinvestor Lafayette Mittelstand Capital ist perfekt, aber zum Jubeln ist der Belegschaft nicht zumute.

Die Übernahme der angeschlagenen Kettler GmbH durch den Finanzinvestor Lafayette Mittelstand Capital ist seit Mittwochmorgen unter Dach und Fach. Knapp 500 Arbeitsplätze beim insolventen Sport- und Freizeitartikelhersteller werden auf diesem Weg gerettet, dennoch ist wohl den wenigsten Mitarbeitern im Traditionsunternehmen zum Jubeln zumute, denn über 200 Arbeitsplätze fallen weg.

Betriebsratsvorsitzender Michael Heierhoff ist zwiegespalten: „Ich sehe die Übernahme durch den Investor absolut positiv, es ist eine Chance auf eine Zukunft, aber es bleibt anspruchsvoll.“ Dass über 200 Kollegen gehen müssen, betrübt: „Es kommt eben keine große Freude auf, wenn ich Kollegen treffe, die gerade ihre Spinde leerräumen.“
Betriebsratsvorsitzender Michael Heierhoff ist zwiegespalten: „Ich sehe die Übernahme durch den Investor absolut positiv, es ist eine Chance auf eine Zukunft, aber es bleibt anspruchsvoll.“ Dass über 200 Kollegen gehen müssen, betrübt: „Es kommt eben keine große Freude auf, wenn ich Kollegen treffe, die gerade ihre Spinde leerräumen.“ © Ralf Rottmann

„Ich sehe die Übernahme durch den Investor absolut positiv, es ist eine Chance auf eine Zukunft, aber es bleibt anspruchsvoll.“ Michael Heierhoff, Betriebsratsvorsitzender des Kettler-Werks Mersch in Werl, wirkt am Tag der erlösenden Botschaft hin- und hergerissen. Seit über drei Jahrzehnten arbeitet Heierhoff für Kettler. Wie er sind die meisten Mitarbeiter schon lange im Betrieb – aber viele von ihnen müssen gerade gehen. „Es kommt eben keine große Freude auf, wenn ich Kollegen treffe, die gerade ihre Spinde leerräumen.“ Wie der Betriebsrat werden wohl viele der 486 Beschäftigten denken – weil über 200 Kollegen Kettler verlassen müssen. 118 wechseln in eine Transfergesellschaft, um die Arbeitslosigkeit ab März zu vermeiden, andere gehen früher als geplant und ungewollt in den Ruhestand – und einige werden gegen die Entlassung klagen.

Markenrechte von Stiftung erhalten

Für viele Beteiligte enden drei nervenaufreibende Jahre mit zwei Insolvenzen. Zwischen den Tagen wird etwas Zeit sein, um die Ereignisse sacken zu lassen und sich vom Ringen ums Überleben der Traditionsmarke zu erholen. Der Betrieb ruht. Die Kettler-Leute haben sich mit aller Energie gegen das Aus gestemmt, demonstriert, die Öffentlichkeit so gut es ging mobilisiert. Es dürfte Tage gegeben haben, an denen die Hoffnung zu schwinden drohte. Zuletzt in der Insolvenz, verbunden mit der Sorge, die Produktion nicht aufrecht erhalten zu können, weil Lieferanten verständlicherweise verunsichert waren.

Nicht zu vergessen das lange Gezerre zwischen Geschäftsführung, Gewerkschaft und Investoren auf der einen und der Heinz-Kettler-Stiftung auf der anderen Seite, das schließlich erst durch das Einschreiten der Aufsichtsbehörde in letzter Sekunde durch die Absetzung der dreiköpfigen Stiftungsspitze und eines Geschäftsführers beendet wurde. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Abgesetzten sich juristisch zur Wehr setzen würden und so das Schicksal der Marke Kettler möglicherweise besiegelt hätten. Stattdessen traten inzwischen alle vier ganz offiziell von ihren Ämtern zurück und machten den Weg frei – für eine neue Besetzung bei der Stiftung und für den Investor Lafayette.

Die Kaufverträge für die Übernahme wurden bereits am Nikolaustag unterzeichnet. Sie werden rückwirkend zum 1. Dezember gültig. Lafayette Mittelstand Capital übernimmt die Kettler GmbH mit allen drei Sparten – Gartenmöbel, Sport- und Fitnessgeräte sowie Spielgeräte, zu der auch das Kultfahrzeug Kettcar gehört. Vor allem aber ist es dieses Mal gelungen, auch die Markenrechte für die USA und Großbritannien von der Heinz-Kettler-Stiftung loszueisen. Die Übernahme beinhaltet also die weltweiten Marken- und Lizenzrechte, außerdem die Anteile an den Kettler-Gesellschaften in Frankreich, den Benelux-Staaten und Österreich.

Zweistelliger Millionenbetrag

Ganz leicht dürfte die Einigung zwischen der Stiftung und dem neuen Besitzer nicht gewesen sein. Die Stiftung muss mit dem von der Familie Kettler ererbten Vermögen höchst sorgsam umgehen. Die Finanzbehörden prüften in kurzer Zeit und bis zuletzt, ob die Vermögenswerte, die nun über den Umweg des Sachwalters Horst Piepenburg an die neue Kettler Holding übergegangen sind, die Gemeinnützigkeit der Stiftung gefährden könnten.

Zwei Insolvenzen innerhalb von drei Jahren

Die 2016 gestartet Kettler GmbH verhandelte seit einem Jahr mit Investoren. Im Sommer scheiterte ein Kauf durch einen Finanzinvestor, das Unternehmen meldete am 18. Juli Insolvenz in Eigenregie an. Im Oktober sprang der Investor ab, mit Lafayette fand sich innerhalb weniger Wochen nun ein neuer Käufer.

Für die Beschäftigten ist es die zweite Insolvenz innerhalb von drei Jahren gewesen. Bereits 2015 musste die 1949 gegründete Heinz Kettler GmbH Insolvenz anmelden. Mit Millionen aus dem Vermögen von Gründertochter Karin Kettler und einer Landesbürgschaft startete daraus die Kettler GmbH, die Lafayette übernahm.

Ein zweistelliger Millionenbetrag fließt aus dem Stiftungsvermögen in die neue Holding. „Dazu eben noch die Markenrechte für die USA und Großbritannien, befristet auf zwölf Jahre“, sagt Andreas Sand, Geschäftsführer der Stiftung, die damit Haftungsverpflichtungen gegenüber dem Unternehmen nachgekommen sei, die mit dem Erbe aus dem Kettler-Vermögen verbunden sind.

Andererseits hat auch die dem Behindertensport verpflichtete Stiftung etwas vom Überleben der Marke. Als direkter Zulieferer für Stoffe und als Immobilienbesitzer. „Der Vertrag kostet die Stiftung Geld, andererseits ging es um eine gute Gesamtlösung. Wir haben nun hoffentlich einen dauerhaft potenten Mieter. Ich hoffe, dass Kettler den Markt wieder aufrollt“, sagt Sand.

Neue Produkte geplant

Genau dies ist das formulierte Unternehmens-Ziel. „Kettler bleibt ‚als Ganzes‘ erhalten und wird künftig wieder Trends setzen. Wir produzieren weiter Gartenmöbel, Sport- und Fitnessgeräte, Kinder-Office-Möbel sowie Spielgeräte und -fahrzeuge“, erklärt Olaf Bierhoff, Geschäftsführer der neuen Kettler Holding GmbH und der neu gegründeten Tochtergesellschaften Kettler Freizeit GmbH und Kettler Plastics GmbH. „Kettler soll innovativer, kundenfreundlicher, schneller und schlagkräftiger werden. Die Entwicklung neuer Produkte soll eng mit Kunden abgestimmt und Produktion und Prozesse modernisiert werden“, ließ Bierhoff in einer Erklärung mitteilen.

Das Geschäft läuft jetzt mit neuer Perspektive weiter, auch wenn die Insolvenz noch beendet werden muss. Im Januar und Februar will die Kettler Freizeit GmbH wie immer auf den großen Leitmessen vertreten sein, der Internationalen Möbel- und Einrichtungsmesse in Köln (imm cologne), der Internationalen Fachmesse für Sportartikel und Sportmode (ISPO) in München sowie der Spielwarenmesse in Nürnberg. Auch für den Sommer sind Messebesuche geplant, aber erst einmal müssen Kettcar & Co. wieder richtig ins Rollen kommen.