Siegen-Wittgenstein. . Die wirtschaftliche Situation ist sehr solide, selbst bei den Sorgenkindern geht es bergauf. Nur Blick in Zukunft trübt Stimmung der Arbeitgeber.
„Die wirtschaftliche Lage ist insgesamt solide“. Mit Siegerländer Zurückhaltung beschreibt Jörg Dienenthal, Vorsitzender des Verbands der Siegerländer Metallindustriellen (VdSM) hervorragende Zahlen: Die Konjunktur brummt, es herrscht quasi Vollbeschäftigung, die Auftragsbücher sind voll, es wird investiert. „Einen so langen Aufschwung gab es in den vergangenen Jahrhunderten nur selten“, so Dienenthal und vergleicht die aktuelle Konjunkturlage mit dem Wirtschaftswunder der 50er Jahre . „Der hohe Industrialisierungsgrad Deutschlands ist im Vergleich zu England oder Frankreich mit ein Grund, warum unsere Volkswirtschaft so gut dasteht.“ Einzig der Blick in die Zukunft trübt die Beurteilung: Der Boom hat Schattenseiten, die eine latente Unsicherheit nach sich ziehen.
Der Kampf um die Arbeitskräfte
Thorsten Doublet nennt neben Ausbildung drei Felder, auf denen sich Unternehmen engagieren.
Junge Frauen in Beschäftigung bringen: 2006 waren noch 40 Prozent erwerbstätig, 2016 bereits 60 Prozent. Dafür müssen natürlich die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stimmen.
Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland durch entsprechende Anreize, teils auch Integration von Geflüchteten mit entsprechender Qualifizierung durch die Betriebe.
Ältere Arbeitnehmer länger im Beruf halten: Vor zehn Jahren waren noch 35 Prozent der 55- bis 65-Jährigen in der Branche tätig, heute sind es bereits 55 Prozent.
Die Konjunktur
87 Prozent der Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie werten ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend, nur 12 Prozent als schlecht. „Unsere Branche ist hellwach und flexibel“, so Dienenthal, mit ein Grund, warum im Grunde kein Grund zu großer Sorge bestehe. Viele Unternehmen im Dunstkreis der Automobilindustrie würden sich bereits jetzt – Stichwort Elektroauto – auf mögliche Alternativen zum Verbrennungsmotor vorbereiten. „Noch ist die Welt bereit, den Preis für Qualität und Innovation zu zahlen“, meint VdSM-Geschäftsführer Dr. Thorsten Doublet – hier könne der Wirtschaftsstandort auch künftig punkten.
Drei Prozent nur der Unternehmen sind in ihrer Produktion nicht ausgelastet – ein historisch niedriger Wert. Sorgenkinder sind nach wie vor Maschinenbauer, Röhrenhersteller und Gießereien – je näher am Stahl, desto trüber das Bild. Aber auch hier stabilisiert sich die Lage. SMS Siemag oder Dango und Dienenthal als regionale Branchengrößen sind „auf dem aufsteigenden Ast“, so der VdSM-Vorsitzende. Dennoch: Nach einer so langanhaltenden Phase des Aufschwungs könne ein gewisser Abschwung für 2019 nicht ausgeschlossen werden.
Die Rahmenbedingungen
Geopolitik: Brexit, Protektionismus der USA, das fortschreitende Erstarken Chinas – „der Weltmarkt ist global, daran können wir nichts ändern“, so Dienenthal – umso unverständlicher sei es, dass sich Europa auseinander dividiere, statt ein einheitliches und starkes wirtschaftliches Gegengewicht zum asiatisch-pazifischen Raum zu schaffen. Da die heimischen Weltmarktführer der Branche – Exportquote mehr als 50 Prozent – mit internationalen Großkunden und -projekten arbeiten, spüre man solche Verwerfungen auch vor Ort.
Fachkräfte: Der Arbeitsmarkt ist leer, es fehlen Facharbeiter, Ingenieure, Kaufleute, Juristen. Schon jetzt besteht Konkurrenzdruck unter den Firmen. „Wir brauchen hochqualifiziertes Personal, um den Wirtschaftsstandort auf seinem Qualitätsniveau zu halten“, so Dienenthal.
Tarifergebnisse: Kostensteigerungen von sieben Prozent – das sei spürbar; erst recht, weil die Metall- und Elektroindustrie im Bundesvergleich ohnehin bereits hohe Gehälter zahle. Die vereinbarte Flexibilität in Sachen Arbeitszeit müsse im betrieblichen Alltag erkannt, organisiert und umgesetzt werden, „das sind bürokratische Herausforderungen“, sagt Dienenthal.
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