Siegen/Hagen. . Werner Hahn begeistert am Siegener Apollo die ganze Region für die Bühne. Der Brückenbauer zäumt jetzt mit Studierenden das „Weiße Rössl“ neu auf

Der Bühnenkünstler Werner Hahn leistet unermesslich wichtige Arbeit mit Jugendlichen. Theater wird dabei zur Lebensschule und zum Instrument, das sichere Fahrwasser der eigenen Komfortzone zu verlassen, um neue Horizonte zu entdecken. In Hagen hat der Opernsänger und Regisseur die Junge Bühne Lutz gegründet und zu einem weithin beachteten Pionierprojekt entwickelt. Nun baut der 62-Jährige in Siegen das Junge Apollo auf. Derzeit studiert er mit angehenden Schulmusikern die Operette „Im weißen Rössl“ ein.

Ausgerechnet das „Rössl“, das alte Schlachtross, als Zugpferd für ein Kooperationsprojekt zwischen Uni und Bühne? Peter Alexander ist für Gerrit Schwan nur die Erinnerung an einen fernen Namen. Den Zahlkellner Leopold kannte er nicht, bevor er mit Werner Hahn in Kontakt kam. „Mit der Operette habe ich mich bis zum Vorsingen kaum beschäftigt“, sagt der 24-Jährige. „Seitdem ich angefangen habe, mich mit Inszenierungen und mit dem Film zu beschäftigen, sehe ich es als meine größte Herausforderung an, diese Rolle mit neuem Leben zu füllen, die schon von so vielen erfahrenen Sängern gesungen worden ist.“ Gerrit Schwan kommt aus Bad Berleburg-Wemlighausen und studiert in Siegen. Bühnenerfahrung als Chorleiter und Rockmusiker hat er bereits. Und der Leopold? „Meine Oma, meine Uroma, alle haben mir die Melodien vorgesungen.“

„Es muss was Wunderbares sein“, klingt es über die Bühne im Apollo. Die „Rössl“-Mannschaft probt. Der fleißige Korrepetitor am Klavier heißt Johannes Grote und ist der Sohn des Solofagottisten des Philharmonischen Orchesters Hagen. Auch er studiert in Siegen Schulmusik. Leopold alias Gerrit bezirzt mit seinen schönsten Tönen die Rösslwirtin Josepha. Die wird von Julia Ziehme gespielt, 23 Jahre alt. „Ich hatte vorher keine Theatererfahrung. Ich habe im Chor gesungen und spiele als Hornistin im Musikverein, aber Schauspiel ist für mich Neuland.“ Julia kommt aus Brachbach, das zwischen Siegen und Betzdorf liegt. „Die Musik finde ich eigentlich verstaubt, aber trotzdem reißt sie einen so mit. Ich gehe von der Probe immer mit einem Ohrwurm nach Hause.“

Werner Hahn hat das - von den Nazis übrigens verbotene - „Rössl“ seinen Mitstreitern schmackhaft gemacht. „Das musste ich innerhalb des Apollos und innerhalb der Uni erst einmal legitimieren. In dem Moment, wo man sich über die Qualitäten des Stücks klar wurde, hat es gezündet. Die Zusammensetzung des Chores ist ein tolles Zeichen dafür. Bei der ersten Chorprobe waren 60 Leute da, und es sind immer noch 60 Leute da.“ Gesangspädagogin Susanne Schlegel freut sich, dass unter den künftigen Musiklehrern die Lust zu singen so groß ist. Sie passt auf, dass die Stimmen gesund und unverspannt geführt werden. „Das ist Neuland und Riesenfreude. Werner Hahns Geheimnis besteht in einer Mischung aus Toleranz und Zutrauen.“

Mitmach-Ansatz

Mit diesem Rezept weckt Hahn Talente auf, die seine Laiendarsteller kaum in sich selbst vermutet hätten. Dieser Emanzipationsprozess, der Mitmach-Ansatz, fasziniert den Theatermann derart, dass herkömmliche Inszenierungs-Formen für ihn keine Priorität mehr haben. „Das Herausfordernde an dieser Produktion ist es, aus dem Echo dieser Stadt Menschen abzuholen, Studierende, die sich in naher Zukunft mit der Ausbildung unserer Kinder beschäftigen. Es wird sie in ihrem Beruf exorbitant weiterbringen, auf einer Bühne zu stehen.“

Aber das ist nur die eine Seite. Denn Werner Hahn meint immer die ganze Bürgergesellschaft, wenn er Theater macht. „Wir haben Statisten, die aus entlegenen Ecken der Region kommen und unbedingt mitspielen wollen, weil sie vorher schon bei einem partizipatorischen Jugendprojekt dabei waren. Die können ohne Theater nicht mehr sein, das gibt ihnen Kraft und Orientierung.“ Im „Weißen Rössl“ hat auch der Musikverein Olpe-Neuenkleusheim 1898 einen großen Auftritt. Werner Hahn: „Im Chor gibt es Iraner, Afrikaner, Chinesen, dazu bürgerliche Sauerländer, Siegerländer und Wittgensteiner, junge Menschen, ältere Menschen. Egal aus welcher Ecke man kommt, man steht zusammen auf der Bühne. Man bringt seine Herkunft mit, aber das ist nichts, was ausgrenzt, sondern eine Voraussetzung, um Theater zu machen.“

In Theaterkreisen nennt man Werner Hahn den Brückenbauer.

Zweite Kooperation mit der Universität

130 Mitwirkende werden ab dem 9. Februar auf der Bühne des Apollo Theaters stehen. Das „Weiße Rössl“ ist die zweite Kooperation von Werner Hahn und der Uni Siegen. Vor acht Jahren hat Hahn die Barockoper „Dido und Aeneas“ mit Studierenden inszeniert. Das war damals der Funke, aus dem später der Wechsel von Hagen nach Siegen wurde.

Kantorin Ute Debus unterrichtet an der Uni Siegen Dirigieren und Chorleitung, sie ist die musikalische „Rössl“-Leiterin. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine Operette einstudieren darf“, so die Kirchenmusikerin. „Und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass unser Chor diese Nummern so liebt. Im Orchester haben wir bis zur Premiere noch ordentlich zu arbeiten, das Stück ist grottenschwer.“

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