Münster/Werl. . Die Stadt Werl scheitert auch in zweiter Instanz damit, den Bau eines Factory Outlet Centers vor Gericht durchzusetzen. Das Vorhaben ist am Ende.

Die Ernüchterung ist Werls Bürgermeister Michael Grossmann anzusehen. Es ist Dienstagnachmittag, 14.44 Uhr, Oberverwaltungsgericht Münster, Sitzungssaal II. Der 2. Senat hat gerade die Pläne der Wallfahrtsstadt, einen Konsumtempel mit 70 Geschäften auf der grünen Wiese, vor den Toren Werls, zu bauen, zunichte gemacht. Das Vorhaben der Stadt ist „mit den Zielen der Raumordnung nicht vereinbar“, heißt es in der Entscheidung der Richter.

„Ich hatte es mir anders erhofft, aber nicht mit einer anderen Entscheidung gerechnet“, kommentiert Michael Grossmann unmittelbar nach der Verkündung den Richterspruch – und spricht von einer „Zäsur“. Zwar wollen sich die Stadt und der Investor, die spanische Investorengruppe Neinver, „nochmal zusammensetzen und in Ruhe beraten“, wie Grossmann im Gespräch mit der WESTFALENPOST ankündigt. Nur: Wirkliche Alternativflächen, die für ein Herstellerdirektverkaufszentrum als Ladendorf in Frage kommen, gibt es wohl nicht. „Jedenfalls nichts, was so ideal gewesen wäre, wie der geplante Standort“, stellt Grossmann fest. Damit lässt sich der Bürgermeister zwar eine Hintertür für ein FOC Werl offen – aber es ist wohl nur ein extrem schmaler Spalt des Durchgangs. Am Ende wird er wahrscheinlich zu schmal sein.

1500 Seiten Gerichtsakten

Es ist der aus Grossmanns Sicht ideale Standort im Süden der Stadt, 1,5 Kilometer von der City entfernt, in unmittelbarer Nähe zum Kreuz der Autobahnen A 44 und 445, auf der grünen Wiese der für das Projekt zur unüberwindbaren, juristischen Hürde wird. Der Landesentwicklungsplan (LEP) lässt großflächigen, zentrenrelevanten Einzelhandel auf der grünen Wiese nicht zu. Damit will das Land eine weitere Verödung der Innenstädte und Einkaufszonen verhindern. Daher hatte die Bezirksregierung Arnsberg als Aufsichtsbehörde die für den Bau des Ladendorfs mit 70 Geschäften notwendige Änderung des Flächennutzungsplans nicht genehmigt – dagegen hatte die Stadt Werl geklagt und war damit am 27. Juni 2017 bereits vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg gescheitert.

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Rund 1500 Seiten füllen die Gerichtsakten, als der 2. Senat des OVG Münster gestern in zweiter Instanz den Fall zu beurteilen hat. „Es geht um ein Jahrhundert-Projekt mit enormer Bedeutung“, stellt Werls Anwalt Johannes Grooterhorst abseits der juristischen Betrachtung in seinem Plädoyer heraus – und führt erstmals in der Auseinandersetzung um das FOC europarechtliche Einwände ein: Die Regulierungsdichte in Deutschland sei zu hoch; die Stadt Werl werde dadurch gehindert, ein für sie wichtiges Vorhaben umzusetzen.

Der Prozessbevollmächtigte der Bezirksregierung, der Rechtsanwalt und Diplom-Geograph Dr. Holger Schmitz der Düsseldorfer Kanzlei Noerr LLP, argumentiert entlang des Landesentwicklungsplans und der Regionalplanung. „Der Fehler liegt im Grundvorgehen“, hält er der Stadt Werl vor. Die Kommune hatte versucht, das FOC-Projekt über einen alten Gebietsentwicklungsplan aus dem Jahr 1996, quasi dem Vorläufer der Regionalplanung aus dem Jahr 2012, durchzusetzen. Aber auch nach diesem Plan lägen Zweidrittel der Fläche für das FOC außerhalb eines genehmigungsfähigen Gebiets, so der Jurist.

Der 2. Senat des OVG bestätigt diese Rechtsauffassung mit seiner Entscheidung: Das FOC widerspricht der Landesplanung, verfassungsrechtliche Bedenken greifen ebenso zu kurz wie europarechtliche Einwände.

Der Senat hat eine Revision nicht zugelassen. Dagegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig möglich.

Früh Skepsis geäußert

„Die Entscheidung ist positiv, auch für den Standort Werl“, sagt in einer ersten Reaktion Thomas Frye, Standort-Experte von der Industrie- und Handelskammer Arnsberg, die früh Skepsis an den Werler Plänen geäußert hatte. Nach Fryes Auffassung gebe es jetzt für die Werler Einkaufszone „Chancen, etwas zu erhalten, was durch den Wettbewerb mit einem FOC nicht möglich gewesen wäre“.
(Azn 2 A 1676/17)