Köln/Hagen. . Markus Keller hat den weltweit ersten Bachelor-Studiengang für Vegan Food Management ins Leben gerufen. Es geht ihm nicht ums Bekehren.
Markus Keller ist der erste Professor für vegane Ernährung in Deutschland. Er leitet an der Fachhochschule des Mittelstands an den Standorten Köln, Berlin und Bamberg den weltweit ersten Bachelor-Studiengang für Vegan Food Management. Ein ehemaliges Exoten-Thema scheint Bedeutung zu gewinnen. Grund genug, sich umzuhören.
Laut einer Umfrage von 2016 leben in Deutschland rund 800.000 Menschen vegan, etwa ein Prozent der Bevölkerung. Veganer vermeiden nicht nur Fleisch und Fisch wie Vegetarier, sondern auch Milch, Käse, Eier und Honig. Sie tragen kein Leder, keine Wolle, keine Seide und lehnen alle Produkte ab, die tierische Bestandteile erhalten. Und das sind ziemlich viele.
Keller: Für die meisten sind ethische Gründe die Motivation
Markus Keller, 52, verheiratet, drei Kinder, ist Vegetarier seit er 18 ist. Um unser Essverhalten zu verändern, studierte er in Gießen Ernährungswissenschaft, promovierte dort und gründete 2010 das Institut für alternative und nachhaltige Ernährung. Keller lebt heute zu 95 Prozent vegan: „Wenn ich zwischen Gießen und den Hochschulorten Berlin, Köln und Bamberg unterwegs bin, esse ich schon einmal eine Butterbrezel oder ein Stück Kuchen mit Ei im Teig.“
„Die meisten Veganer haben ihren Lebensstil aus ethischen Gründen gewählt“, sagt Keller. „Sie wollen keine Tiere benutzen und töten. Der Großteil der Milchkühe sieht nie grünes Gras, und den Tieren ist es auch nicht egal, wenn ihnen die Kälber weggenommen werden.“ Aber auch Umwelt und Klima seien wichtige Faktoren: „Ökologisch haben wir keine andere Chance.“ Ein Viertel der Klimagase entstünden durch die Ernährung. Durch eine vegetarische Ernährung ließen sie sich um 30 Prozent reduzieren, durch eine vegane um 50 Prozent. Der Professor hegt nicht die Illusion, alle Menschen zu Veganern bekehren zu können, aber er will eine Reduzierung des Fleischkonsums erreichen: „Das empfiehlt auch der Weltklimarat.“
Vegane Ernährung kann sich positiv auf Gesundheit auswirken
Vitamin B12 kommt nur in tierischen Lebensmitteln vor; das müssen Veganer als Zusatzstoff einnehmen. Kritisch kann auch die Kalzium-Versorgung sein. Wer nicht genügend Kohl, Nüsse oder Samen isst, sollte kalziumangereicherte Getränke nutzen. Bei vielen Nährstoffen, etwa Folsäure, Magnesium und Ballaststoffen seien Veganer dagegen besser versorgt als Mischköstler, weil diese zu wenig Obst, Gemüse und Vollkornprodukte äßen, erklärt Keller.
Veganer hätten ein deutlich geringes Risiko für Übergewicht, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und mehrere Krebsarten. In Studien müsse man allerdings immer berücksichtigen, dass diese Bevölkerungsgruppe gebildeter, wohlhabender und gesundheitsbewusster sei als der Durchschnitt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt lediglich für Schwangere und Kinder keine vegane Ernährung, rät aber auch nicht explizit davon ab.
Neun Studierende nehmen aktuell teil
Sieben Frauen und zwei Männer sitzen im fünften Stock eines großen Bürogebäudes in der Kölner Innenstadt. 625 Euro im Monat kostet ihr Studium. Alle sind Veganer, einige lange, andere kürzlich geworden. Manche haben einen radikalen Schnitt gemacht, bei anderen war es ein fließender Übergang. Sie haben sich informiert über die Fleischindustrie, sie waren abgestoßen, sie nennen Tierethik, Umwelt, Gesundheit und Gerechtigkeit als Gründe. Und sie sind mehrheitlich Frauen. Warum? „Fleisch zu essen gehört wohl immer noch zum verbreiteten Männerbild“, meint Student Hendrik.
Vegan Food Management ist schwerpunktmäßig ein Wirtschaftsstudiengang: BWL, VWL, Rechnungswesen, Wirtschaftsrecht, Marketing, Dazu kommen aber Ernährungslehre und -medizin, Soziologie des Essens, Konsumentenverhalten der veganen Zielgruppe, Tierschutz und Lebensmittelrecht. Und vieles mehr. Keller sieht exzellente Berufschancen: „Der Markt für vegane Lebensmittel, der auch viele Mischköstler bedient, hat zweistellige Zuwachsraten, und Fachleute sind noch Mangelware.“
„Man darf in Diskussionen mit Fleischessern nicht wütend werden.“
Das hören die Studierenden gern, aber ihre Entscheidung fürs Studium hatte meist andere Gründe: Sie wollen etwas bewirken. Sie wollen veganes Leben einfacher machen. Sie haben eine Mission. Aber sie wissen, dass sie nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommen dürfen. Valeria und Melissa haben das gelernt: „Man darf in Diskussionen mit Fleischessern nicht wütend werden.“
„Ist das nicht anstrengend?“, werden Veganer immer wieder gefragt. „Was ist so schwierig daran, einen Apfel zu essen?“, fragt Laura zurück. Fehlt Ihnen das Fleisch nicht manchmal? „Im Gegenteil“, entgegnet Hendrik: „Ich habe faszinierende Gemüse entdeckt und eine große Bandbreite von Gerichten kennengelernt.“ Und die ständige Suche nach tierischen Inhaltsstoffen? „Das lernt man schnell“, berichtet Eva. Laura sieht den Zwang zur Informationssuche als Vorteil: „Man fühlt sich gut, wenn man weiß, was man isst.“ Und alle betonen: „Wir verzichten nicht. Wir leben bewusster.“