Kreuztal. . Die ThyssenkruppWerke in Kreuztal-Eichen und -Ferndorf stehen im Zuge der Fusion mit Tata Steel auf dem Prüfstand – aber niemand sagt, wieso.

Nahezu 1100 Beschäftigte der Thyssenkrupp-Steel Europe an den Standorten Eichen und Ferndorf blicken seit Monaten unsicheren Zeiten entgegen. Der Standort Siegerland ist neben Bochum und Duisburg-Hüttenheim einer der drei, die im Zuge der Fusion mit Tata-Steel keine langfristige Bestandsgarantie bekommen haben, sondern 2020 auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft werden sollen. Davor hätte man in Eichen keine Angst, stünde nicht ein wesentlicher Teil der Produktion, die Beschichtungsanlage BBA3 zur Disposition. „Hier am Standort herrscht große Verunsicherung bei der Belegschaft. Im Bereich der Anlage haben wir heute schon offene Arbeitsplätze, die wir nicht besetzt bekommen“, beschreibt der Betriebsratsvorsitzende Helmut-Rudi Renk die Situation.

Seit dem Sommer kein Wort

Beinahe vier Monate sind vergangen, seit Thyssenkrupp mit dem indischen Konzern Tata die Fusion im Stahlbereich beschlossen hat. Seitdem herrscht Funkstille. Weder Betriebsrat noch die Industriegewerkschaft Metall (IGM) in NRW bekommen Hinweise darauf, wie die Zukunft in Kreuztal-Eichen denn aussehen soll. „Bisher konnte uns niemand sagen, warum die BBA3 überhaupt zur Diskussion steht“, sagt Knut Giesler. Der IG Metall Bezirksvorsitzende besuchte gestern den Standort. „Im Konzern internen Vergleich ist die BBA3 sicher nicht die schlechteste Anlage. Im Gegenteil: Sie hat Alleinstellungsmerkmale.“

Das Herzstück der Produktion

Giesler, der für die Gewerkschaft selbst mit in der Verhandlungsrunde mit Tata-Vertretern saß, macht sich stark für den Standort im Siegerland und dafür, die Beschäftigten nicht länger in der Luft hängen zu lassen: „Der Thyssenkrupp-Vorstand muss für einen ergebnisoffenen Prozess sorgen. Diese Zusicherung muss er geben, und zwar so schnell wie möglich.“

Aktuell loten Vertreter des Essener Konzerns gemeinsam mit Tata-Leuten aus, wie die genaue Umsetzung der Verschmelzung der Stahlbereiche aussehen wird. Dabei haben sie auch die Kartellbehörden im Hinterkopf, die letztendlich grünes Licht geben müssen.

Tatsächlich gibt es bei der Belieferung von einigen Industriekunden Überschneidungen von Tata mit dem Standort Siegerland. Durch zwei neue Verfahren zur Herstellung hochfester und ultraleichter Stahlkomponenten wäre das Werk Eichen aber offenbar nicht zwingend auf dieses Geschäft angewiesen – wenn die besagte Beschichtungsanlage bleibt. „Vor eineinhalb Jahren war die BBA3 noch der Benchmark im Konzern“, sagt Betriebsratschef Renk. Werde sie stillgelegt, habe das nicht nur Auswirkungen auf die dort direkt eingesetzten rund 120 Mitarbeiter. Diese Anlage ist das Herzstück der gesamten Produktion. „Wird die Maschine aus der Produktionskette geschnitten, fehlt mir die Phantasie, wie dieses Loch zu schließen ist“, so Renk. Entsprechend schlecht dürfte dann die Wirtschaftlichkeitsberechnung 2020 ausfallen.

Warum die Produktionslinie möglicherweise abgeschaltet werden könnte, erschließt sich den Betroffenen nicht. Und bei den Verantwortlichen herrscht weiter Schweigen. Selbst Gieslers Vorgänger, der heutige Thyssenkrupp-Arbeitsdirektor Oliver Burkhard, musste nach Angaben des Betriebsrates passen. „Wir fragen uns, ob Burkhard nicht bewusst ist, dass es um den ganzen Standort geht“, sagen Renk und sein Stellvertreter Markus Mittelmann. Vielleicht hat ja der Konzern-Aufsichtsratsvorsitzende Markus Grolms eine Antwort im Gepäck, wenn er sich am 2. November mit Renk und Mittelmann trifft. Ihm fiel der Vorsitz zu, nachdem Ulrich Lehner sich – wie kurz zuvor Heinrich Hiesinger als Vorstandsvorsitzender – bei Thyssenkrupp verabschiedete. Grolms müsste als IG Metaller Verständnis für die Belegschaft haben. Bringt auch er keine Antworten mit, dürfte die Nervosität am Siegerland noch einmal steigen.