Finnentrop. . Felix Kampmann hat sich sehr bewusst für eine Zukunft als Landwirt entschieden. Ihm fehlen aber die Unterstützung der Politik und klare Vorgaben

Da müssen wir jetzt durch. Durch die Hygieneschleuse. Mit Dusche, Besucherunterwäsche, einem Overall und hofeigenen Schuhen. „Ohne Dusche kommt mir keiner in den Stall, nicht einmal der Tierarzt“, sagt Felix Kampmann bestimmt. Ungebetene Krankheitserreger kann sich der 27 Jahre junge Landwirt nicht leisten in seinem Sauen- und Ferkelbetrieb. Die kleinen Schweinchen sind nicht nur süß – sie sind auch sehr empfindlich.

Kampmann zeigt uns nicht ohne Stolz, was er selbst erst theoretisch entwickelt und dann, gemeinsam mit seinem Vater, praktisch umgesetzt hat: Eine zukunftsfähige Sauenhaltung. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest hat er das Thema wissenschaftlich bearbeitet, zuhause im beschaulichen Sange, einem Dörfchen der Gemeinde Finnentrop, dann gebaut. Seit Mai stehen zwei neuen Ställe, wenige Hundert Meter vom Hof entfernt (wo es keinen Platz mehr gab) auf einem Berg.

Gruppenhaltung für die Sauen

Was vor allem neu ist: Die Sauen werden nicht mehr im engen Kastenstand, sondern in Gruppen gehalten. 700 Quadratmeter bieten die beiden Ställe für je 260 Sauen. Zum Fressen laufen sie in eine von insgesamt jeweils sechs Selbstfangbuchten: Ein kleiner Bereich, den immer nur eine Sau auf einmal betreten kann. Die Sauen werden über einen Transponder vom Computer erkannt, der teilt das Futter abgestimmt auf jede Sau einzeln zu, je nach Alter und Gewicht, das täglich neu ermittelt wird.

So sieht es in einer Ferkelzucht aus

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© Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
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Aber nicht nur die Fütterung verläuft automatisiert, der Computer regelt so einiges im Stall. So laufen die Sauen an einem Eber vorbei, der in einer eigenen Bucht lebt. Je nach Interesse, das sie dabei an ihrem männlichem Artgenossen zeigen, ermittelt der Computer, wie rauschig die Sauen sind. Ist der Wert hoch genug, werden die Tiere „belegt“, wie Kampmann sagt, also besamt.

Allerdings künstlich, der Eber dient nur als eine Art Lockvogel.

Ob die Tiere trächtig sind, ermittelt wiederum der Computer, über eine Ultraschalluntersuchung. Eine Woche, bevor sie die Ferkel werfen, geht es für die Sauen in die Abferkelstation. Dort gibt es Kastenstände, allerdings etwa doppelt so groß wie gesetzlich vorgeschrieben. Die Sauen können sich hier drehen; nur wenige Tage nach dem Wurf werden sie noch klassisch fixiert, damit sie die eigenen Ferkel nicht erdrücken.

„Das kostet richtig viel Geld“, sagt Felix Kampmann, der ordentlich investiert hat in die neuen Ställe, die mehr bieten als das Gesetz verlangt. „Ich bin ins Risiko gegangen“, sagt der junge Landwirt. Weil er vermutet, dass der Gesetzgeber auf die Debatten rund um den Tierschutz reagieren wird, reagieren muss, irgendwann demnächst. Darauf will er vorbereitet sein. Besser wäre natürlich, wenn klar wäre, wohin genau die Reise geht.

Ferkel und Sauen sind der Schwerpunkt

Zum Hof von Felix Kampmann zählen ein Eber, insgesamt 559 Sauen und immer etwa 2000 Ferkel. Kampmann baut auf 60 Hektar (ha) Getreide an; zum Hof zählen noch 4 ha Wald.

Beim Verbot der Ferkelkastration ohne Betäubung (Grund: das Eberfleisch stinkt sonst) soll es eine Übergangsphase von zwei Jahren geben. Das beruhigt Kampmann, der sagt, es gäbe keine gangbaren Alternativen: für die Impfung fehlten Tierärzte, die Lokalanästhesie und die Betäubung durch ein Gas seien in Deutschland nicht zugelassen.

Mit der Investition hat Felix Kampmann auch eine Lebensentscheidung getroffen. „Da habe ich mich festgelegt“, sagt er – und lacht. Landwirt zu werden, das hat er sich gut überlegt. „Mein Vater hat mir gesagt: Probier auch mal andere Dinge aus!“ So hat er verschiedene Praktika gemacht, etwa im Werkzeugbau oder im Viehhandel. Er bleib bei der Landwirtschaft, schon als Kind fand er Tiere und Trecker spannend. „Ich konnte aber frei entscheiden“, sagt er bestimmt, „bei meinem Vater war das noch anders“. Der habe den Hof, seit 1650 in Familienbesitz, noch übernehmen müssen. Und jahrelang alleine geführt, ohne Hilfe. „Der musste auch mit Fieber in den Stall!“ Das wollte der Sohn nicht. Sein Vater arbeitet mit; er hat zudem eine Angestellte und eine Auszubildende. Bei vier Personen könne jeder auch Urlaub machen, etwas, was sein Vater früher nicht konnte.

Initiative Tierwohl

Der Kampmann-Hof ist mit seinem neuen Sauenhaltungskonzept Teil der Initiative Tierwohl. Viele Forderungen von Tier- und Umweltschützern aber gehen dem Landwirt zu weit, von der Politik fühlt er sich alleingelassen: „Die wissen doch gar nicht mehr, um was es hier geht!“ In der Debatte um die Kastration von Ferkeln ohne Narkose — „da fließt kaum Blut“ – fehlen ihm gangbare Alternativen, ebenso beim Kupieren der Ferkelschwänze. Beides betrifft Kampmann direkt: Kupiert und kastriert wird in den ersten Lebenstagen, die Ferkel bleiben aber vier Wochen – eine mehr als gesetzlich vorgeschrieben – bei der Muttersau und auf dem Hof, dann gehen sie an zwei Partnerbetriebe in der Nähe, wo sie aufgezogen werden, bis sie 28 Kilo wiegen. Anschließend verkauft Kampmann die Tiere. Nicht nur der Computer gehört zum Arbeitsalltag auf dem Hof, auch die Arbeitsteilung ist längst gang und gäbe.