Witten/Frankfurt a. M. . Gegen Dieselfahrverbote hilft Hardwarenachrüstung wie die von Baumot in Witten effektiv – Ministerpräsident Bouffier macht sich stark dafür.
Das Wittener Unternehmen Baumot Technologie bekommt für seine Diesel-Nachrüsttechnik weiteren Rückenwind aus der Politik. Dieses Mal vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) und Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. Anlass sind drohende Fahrverbote in der hessischen Bankenmetropole. Morgen verhandelt das zuständige Verwaltungsgericht Wiesbaden darüber, ob der Luftreinehalteplan in Frankfurt/a.M. ausreichend ist.
Baumot hat bereits seit Monaten ein ausgereiftes System für Volumen-Pkw wie den VW Passat parat. Allerdings fehlt nach wie vor die Zulassung für öffentliche Straßen durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA), das in dieser Angelegenheit offenbar im Schneckentempo arbeitet. Eine Anfrage dieser Zeitung nach dem Stand der Straßenverkehrszulassung des BNOx-Systems ließ das Amt unbeantwortet. Das KBA ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesverkehrsministeriums, deren oberster Chef, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), nach wie vor eine Nachrüstung von Pkw ablehnt.
Expertise vorgelegt
Ganz einleuchtend ist die Haltung des Christsozialen nicht, da ein von seinem Ministerium beauftragter Gutachter bereits im Januar dieses Jahres eine Expertise vorlegte, nach der die Hardwarenachrüstung von alten Diesel-Pkw durch Hersteller wie Baumot ein gutes Mittel zur Verbesserung der Schadstoffwerte ist. Noch besser wäre laut Gutachter, wenn die Autohersteller (OEM) selbst die Nachrüstung vornähmen, weil sie ihre Fahrzeuge am besten kennen und für andere Märkte (USA) bereits ähnliche Systeme verbaut hätten.
Tatsächlich würde mit dem von Baumot in Witten entwickelten Bauteil nicht das gesamte Auto neu konzipiert. Laut Henning Middelmann, ehemaliger Daimler-Ingenieur und Geschäftsführer von Baumot Technologie, liegen viele der notwendigen Komponenten für eine Nachrüstung auf Euro-6-Standard bei OEM in den Regalen.
Im Sommer dieses Jahres hatte sich bereits Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach einem Besuch bei in Witten klar für eine Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw ausgesprochen. „Die Hardware-Nachrüstungen ist technisch möglich zu einem vertretbaren Preis“, erklärte sie. Die Autobranche solle die betroffenen Fahrzeuge daher auf eigene Kosten nachrüsten. Dazu bräuchte es jetzt ein einheitliches Regelwerk des Bundesverkehrsministeriums.
Vergangene Woche erhöhte nun auch die hessische Landesregierung in Person des Ministerpräsidenten den Druck auf die Automobilindustrie. „Wir haben den Eindruck: Nach drei Dieselgipfeln und anderthalb Jahren Diskussion muss jetzt entschieden werden“, erklärte Bouffier in einem Radio-Interview (FFH). In Frankfurt hatte Baumot das Konzept auch Oberbürgermeister Peter Feldmann sowie Vertretern der Handwerkskammer Rhein-Main vorgestellt. Bouffiers Fazit: Die Bundesregierung müsse nun endlich massiv Druck ausüben, damit die Auto-Industrie auf ihre Kosten Diesel-Fahrzeuge mit Nachrüstungen schadstoffärmer mache. Das sei möglich und zumindest bei den „Massen“-Autos auch bezahlbar. Klare Worte, die sowohl mit der Gerichtsverhandlung als auch mit den am 28. Oktober stattfindenden Landtagswahlen im Nachbarland zu tun haben könnten.
14 Tage vorher wählt Bayern, das Heimatbundesland von Verkehrsminister Andreas Scheuer, der gestern noch einmal der Automobilindustrie für ihre Bereitschaft zu Software-Updates auf die Schulter klopfte: In einem Video des Ministeriums unter dem Titel „1 Million Diesel-Pkw mehr umgerüstet als angenommen“ frohlockt Scheuer: „Wir werden die Luft in unseren Städten sauberer machen(...). Und jetzt die gute Nachricht. (...) Sie (Die OEM/Anm. d. Red.) haben geliefert, nämlich mehr als zugesagt. Statt 5,3 Millionen Fahrzeuge können jetzt 6,3 Millionen Fahrzeuge upgedatet werden.“
Bislang nur kleine Lösungen
Können, denn bislang wurden längst nicht alle 6,3 Millionen Pkw mit neuer Software versehen – was der Minister schlussendlich immerhin erwähnt. Von Umrüstung kann ohnehin keine Rede sein. Bislang setzt das Bundesverkehrsministerium lediglich auf kleine Lösungen wie die Hardware-Nachrüstung von Bussen im öffentlichen Personennahverkehr. Wie im Juli in Düsseldorf, wo Scheuer mit der neuen NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel, Rheinbahn-Vorstand Klaus Klar und Hermann Josef Schulte, Seniorchef des Mendener Abgasnachrüstspezialisten HJS den Einbau eines SCR-Katalysators aus dem Sauerland in einen Düsseldorfer Dieselbus mit Förderung durch den Bund lobte: „Unser klares Ziel ist: keine generellen Fahrverbote in deutschen Städten. Deshalb rüsten wir dort nach, wo es Sinn macht. Also nicht alte private Diesel-Pkw, sondern ÖPNV-Busse, die täglich tausende von Kilometern in den Innenstädten zurücklegen.“
Eine klare Absage an die Besitzer von knapp 1,4 Millionen Euro 4 und Euro 5 Diesel-Pkw, deren Nachrüstung zwar technisch möglich zu sein scheint, aber teuer ist. Nach Berechnungen von Baumot: etwa 2,7 Milliarden Euro. Bundesumweltministerin Schulze geht sogar von rund 4,5 Milliarden Euro Gesamtkosten für die Nachrüstung alter Diesel aus, um die Luft nicht nur an den Messstellen auf ein paar Metern Innenstadt sauberer zu bekommen.