Hagen. . „Zoff“-Gründer Reiner Hänsch hat unter dem Titel „Sauerland Live“ amüsante Geschichten über einen besonderen Menschenschlag geschrieben
Man könne eine Menge mit Buchstaben machen, lässt Reiner Hänsch in seinem neuen Buch sein Alter ego Alex Knippschild („gerne auch der Alex“) sagen. „Ich ringe den ganzen Tag damit, sie in die richtigen Reihenfolgen zu bringen, damit sie Sinn ergeben.“ Vor diesem Hintergrund ergibt das neueste Werk des Autors und Sängers der Sauerland-Hymne „Mein Herz schlägt für das Sauerland“ eine Menge Sinn. Unter dem Titel „Sauerland Live“ präsentiert Hänsch (65), „freier Komponist, Musikproduzent, Konzeptioner, Texter und Buchautor“ (Eigenbeschreibung) – also Multitalent (Fremdbeschreibung) –, „14 Episoden aus dem abenteuerlichen Leben der Familie Knippschild“.
Geschichten aus dem Leben
Der Alex ist Chefredakteur einer „kleinen, aber nicht ganz unwichtigen“ Zeitung namens „Sauerlandbeobachter“. Es sind eigentlich gar keine Abenteuer, die Alex und seine Familie aus dem fiktiven Ort Leckede irgendwo im Altkreis Meschede auf fast 400 Seiten erleben. Eher Geschichten, die das Leben schreibt. Leben live oder Sauerland live eben. Wiewohl ein Bummel auf dem Dortmunder Westenhellweg inklusive Hosenkauf für einen Sauerländer offenbar ein großes Abenteuer sein kann.
„Ich möchte, dass viele Leute mit diesem Buch lachen“, sagt Reiner Hänsch, Gründer der legendären Rockband „Zoff“. Er hat mit seiner flotten Schreibe amüsante Geschichten über Sauerländer verfasst, ohne sich über diesen Menschenschlag lustig zu machen. Dafür ist der gebürtige Letmather, der auf Ibiza und am Jadebusen lebt, immer noch im tiefsten Innern zu sehr Sauerländer. Wie formuliert er es in seinem neuen Werk? „Mehr als’n Sauerländer kann der Mensch nich’ werd’n.“ Es sind die liebevolle Ironie, der Sprachwitz und die Auswahl der Geschichten, die „Sauerland Live“ so lesenswert macht. So erfährt man unter anderem vom Besuch in Herrn Kaisers Frisörsalon „Kaiserschnitt“ (haha), vom Mitfiebern beim Eishockey-Heimspiel der Iserlohn Roosters oder von der Auflösung der weltbewegenden Frage, was denn Weihnachten auf den Essenstisch kommt. „Der Witz steckt meist im völlig Normalen“, sagt Hänsch. Man entdecke ihn erst, wenn man sich eine andere Sicht der Dinge gönnt: „Etwas Abstand, und schon wird die Absurdität so mancher Situation deutlich, und wir müssen über uns selbst lachen.“
Der große Loriot sei ein Meister im Entdecken der Absurditäten des ganz normalen Lebens gewesen, sagt Hänsch. Womöglich hätte der vor sieben Jahren verstorbene Humorist ähnliche Beobachtungen bei einer Goldhochzeit gemacht wie Hänsch: Man sucht zunächst nach einem Grund für eine Absage, geht dann doch aus Gründen der Familien-Chemie hin und kann hinterher nach hochprozentigen Gesprächen sagen, dass es sehr schön war. Wie immer eben.
Der erste Roman vor fünf Jahren
Nicht immer war Hänsch Buchautor. Erst vor fünf Jahren hat der kreative Kopf, der lange in einer Düsseldorfer Werbeagentur arbeitete, seinen ersten Roman („Rotzverdammi“) geschrieben. Er ist seitdem auf den Geschmack gekommen. Auch wenn seine Werke einen großen Bezug zum Sauerland haben, mag Hänsch nicht als Regional-Dichter bezeichnet werden. „Wäre da nicht der Sauerländer Dialekt, könnten meine Episoden auch in Bayern, Friesland oder im Rheinland spielen. Weil sie einfach nur menschlich sind.“
Und doch: Der Sauerländer sei ein ganz besonderer Typ Mensch. Er habe seine eigene Sprache, seine eigenen tausend Berge („über die er manchmal ,einfach nich drübber’ kommt“) und seinen eigenen Kopf. „Wenn man genauer hinsieht, dann stellt man fest, dass meine Figuren trotz aller Marotten und Schrulligkeiten im Grunde nett und liebenswert sind.“ Und die sich kein X für ein U vormachen lassen. Auch wenn man eine Menge mit Buchstaben machen kann.