Alle können gärtnern - nur unser Autor nicht. Überall schießen Gewächse in die Höhe, bei ihm verkümmern die Kräuter. Er wittert ein Komplott.

Vergangene Woche habe ich mit Herrn J. telefoniert. Er las von dem real existierenden Rosmarin-Fluch, der mich heimsucht. Davon ließ sich Herr J. nicht schrecken, und deswegen lieferte er mir Tipps, wie ich mein Lieblingskraut wider die höheren Mächte kultivieren könne. Wir kamen ins Plaudern, was für mich kaum zu ertragen war.

Auch interessant

Seit über zehn Jahren kultiviere Herr J. die Fläche hinter dem Haus. „Herrlich“, sagte er. Sein Garten und er seien eine Erfolgsgeschichte. Der Rosmarin wüchse nahezu Basketballspieler-hoch, sein Lorbeer (1,50 Meter!) sei etwas kleinwüchsiger. „Und meine Tomaten können wir gar nicht alle essen.“ Ochsenherz, Rispe, egal welche Tomate, alles gelinge. „Einige davon stehen im Eimer.“ Als Journalist und passionierter Gartenversager habe ich das natürlich kritisch hinterfragt. „Kommen Sie vorbei! Sehen Sie es sich an!“

Der Rand der Menschenliebe

Meine überschaubare Erntebilanz lautet bislang: drei Reihen Radieschen, Bohnen für ein Abendessen, drei Zucchini, drei Erbsen- und eine Hand voll Zuckerschoten, recht viel Mangold sowie extrem viel Kapuzinerkresse zum Verzieren vom Supermarktsalat. Und Tomaten klappen ganz gut. Der gärtnerische Glanz anderer aber bringt mich leider an den Rand meiner durchaus großen Menschenliebe. Schlimmer noch: Ich vermute einen Komplott. Diese Gartenkönner wollen mich fertig machen! Dafür gibt es Belege.

Ein Bekannter schickte mir unlängst Fotos seiner Bambushecke. Die steht in Westfalen. Vor einer ähnlich imposanten grünen Wand habe ich mal mit offenem Mund auf Maui gestanden. Ein anderer präsentierte mir online seine erste Kartoffel. Die war so groß wie meine Zucchini. Und meine Schwester sendete mir ungefragt das Bild eines mir durchaus bekannten Krautgewächses. Warum? Ich hatte den Wuchs schon beim Familiengrillen hymnisch gelobt!

Das Video zum besseren Verständnis

Garten, Garten, Garten – überall Garten! Selbst durch betonierte Bahnhöfe gehe ich mit gesenktem Blick. Auf dem Weg zum Gleis vorbei am Kiosk ertrage ich die Garten-Zeitschriften nicht, an denen ich meterlang vorbei muss. Zum besseren Verständnis meines Leidensdrucks finden Sie ein Filmchen darüber, was in meinem Garten so los ist, hier: wp.de/kresse.

Vielleicht helfen mir die Rosmarin-Tipps von Herrn J., der es ja gut mit mir meint: Unter anderem soll ich vorm Pflanzen das Wurzelwerk lockern und „italienische Kräuter nur aus Italien kaufen“. Die seien kälteresistenter. Er habe es so gemacht, und ganz bald müsse er seinen Rosmarin wieder schneiden. Andernfalls würde der nämlich zu groß werden. Während Herr J. freudig erzählte, musste ich leise weinen.