Hagen. . Flug- und Fernreisen richten großen Schaden an. Das Öko-Bewusstsein steigt, aber bezahlen wollen nur wenige Deutsche für ein besseres Gewissen.

Sonne, Meer, Palmen und Fußspuren im Sand – mit solchen Bildern locken Reisekataloge. Doch wenn der Sandstrand in der Karibik liegt oder in Südostasien, dann wird der Traum vom Urlaub zum Alptraum fürs Klima. Der Tourismus verursacht – je nach Berechnung – weltweit fünf bis acht Prozent aller Treibhausgasemissionen.

Und obwohl Fernreisen per Flugzeug nur drei Prozent aller Reisen ausmachen, erzeugen sie 17 Prozent der klimaschädlichen Gase. Das hat die Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) ausgerechnet. Auch kleine Füße hinterlassen so einen gigantischen CO2-Fußabdruck. Und Fliegen – selbst ein Flug nach Mallorca schädigt das Klima so stark wie ein Jahr Autofahren – ist ja nicht alles: Tourismus bedeutet für viele der schönsten Flecken der Erde häufig: mehr Verkehr, Zersiedelung der Küsten, Abfallberge und Ressourcenverbrauch (Trinkwasser, Energie).

Wer darauf hinweist, gerät schnell in Verdacht, den allseits gestressten Menschen nun auch noch die schönsten Wochen des Jahres vermiesen zu wollen. Aber Fakt ist: Immer mehr Reisefreudige denken darüber nach, wie sie ihren Urlaub umweltschonender verbringen können. Nur mit dem entsprechenden Handeln hapert es meist noch ein wenig. Wir wollen klären, woran das liegt und ein wenig Hilfestellung geben.

Die Naherholungsregion

Ins Sauerland kommt kein Urlauber aus dem Rheinland oder dem Ruhrgebiet geflogen. Das ist schon einmal nicht schlecht. Und auch wenn die große Mehrheit mit dem Auto anreist, betont Rouven Soyka vom Sauerland-Tourismus: „Wir verweisen bei allen Angeboten und in allen neuen Broschüren auf Busse und Bahnen.“

Winterberg biete Elektroautos zum Verleih an, anderswo würden Ladestationen ausgebaut, die Henne in Meschede und die Ruhr bei Arnsberg-Oeventrop seien renaturiert worden, der Landal Green Park in Winterberg habe als erster Ferienpark in Deutschland ein Nachhaltigkeits-Zertifikat erhalten, die erste CO2-neutrale Jugendherberge stehe in Brilon, der Naturpark Sauerland-Rothaargebirge engagiere sich stark in der Umweltbildung und, und, und.

Weil die Kunden es so verlangen? Soyka: „Die Ansprüche sind in allen Bereichen gestiegen. Die Kunden erwarten regionale Produkte in der Küche und wollen insgesamt bewusster Urlaub machen.“ Und was ist mit der künstlichen Beschneiung im Winter? Ist fürs Klima immer noch günstiger, als wenn die Niederländer und Belgier mit dem Auto in den Alpen führen.

Der Reiseveranstalter

Der Hagener Reiseveranstalter Wikinger Reisen lädt vor allem zum Wandern und Radfahren. Das ist prinzipiell schon besser als Motorboot, Quad oder Golf in wasserarmen Regionen. Aber Geschäftsführerin Dagmar Kimmel hat mehr zu verkünden: „20 Prozent des Unternehmens gehören seit 1996 der gemeinnützigen Georg Kraus Stiftung. Deshalb fließt ein Fünftel des Gewinns in Bildungsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika.“ Seit fünf Jahren unterhalte man auch eine strategische Partnerschaft mit dem WWF, dessen Experten mehrmals im Jahr nach Hagen kämen und Empfehlungen gäben. „Wir suchen für unsere Reisen immer nach zertifizierten Biohotels“, sagt Kimmel, in Südafrika, Namibia und Botswana verzichte der lokale Partner jetzt auf Plastik-Wasserflaschen, und in Thailand bekämen die Gäste künftig Taschen ausgehändigt, um die vielen dort üblichen Plastiktüten zu vermeiden.

Aber wie diese Ziele beweisen – Wikinger veranstaltet auch Fernreisen. Wie steht es da mit dem Klimaschutz? Wie viele Veranstalter bietet Wikinger den Kunden an, den CO2-Verbrauch durch Spenden an Klimaschutzobjekte zu kompensieren. Früher habe man das mit der Atmosfair (siehe Kasten) angeboten, sei aber jetzt auf ein eigenes Projekt umgestiegen: Der Verein „Die Ofenmacher“ bildet in Nepal und Äthiopien Handwerker aus, die Lehmöfen mit Rauchabzug herstellen. Sie halbieren den CO2-Ausstoß gegenüber offenen Küchenfeuern.

Kimmel: „Seit wir dieses konkrete Projekt betreiben, hat sich die Bereitschaft zur Kompensation mehr als verdoppelt.“ Allerdings auf einem sehr niedrigem Niveau: Bei Fernreisen spenden jetzt zwei Prozent. Wikinger peilt mittelfristig fünf Prozent an. Kimmel bilanziert: „Der Kunde hat heute ökologische Aspekte stärker im Bewusstsein als vor fünf Jahren, ist aber nicht unbedingt bereit, dafür zu bezahlen.“

Der Lebensstil

Das hat auch der WWF festgestellt: „Die Bereitschaft zu umweltbewussten Verhaltensänderungen ist im Urlaub geringer als im Alltag.“ Insbesondere Menschen mit höherer Bildung und höherem Einkommen sind wenig bereit, ihr Reiseverhalten zugunsten umweltfreundlicherer Alternativen zu ändern. Das ist deshalb paradox, weil gerade diese Gruppe sonst besonders viel Wert auf einen „grünen“ Lebensstil legt. Aber die Fernreise wollen sie sich offenbar nicht nehmen lassen. Der Siegener Wirtschaftswissenschaftler Prof. Gustav Bergmann, der sich viel mit Wirtschaftsethik befasst, erklärt dies mit dem sogenannten Rebound-Effekt: „Mache ich auf der einen Seite etwas Gutes wie Bio einkaufen, Plastik vermeiden oder ‘richtig’ wählen, erlaube ich mir dafür etwas anderes weniger Gutes.“ Überhaupt schienen viele Bürger aus den wohlhabenden Ländern zu denken, die Erde gehöre ihnen ganz allein. Bergmann findet es „merkwürdig“, dass auch umweltbewusste, gebildete Kreise damit so gut leben können: „Mir selbst macht es Probleme, hinter meine Erkenntnis zurück zu gehen.“ Deshalb verzichtet er persönlich auf Flugreisen, Fleisch etc., setzt aber vor allem auf strukturelle Lösungen und Debatten über den Zwang der Verhältnisse.