Hagen/Meschede. . Der Mescheder Heinz Benölken hat ein Reformkonzept für die Altersvorsorge entworfen. Es soll vor Armut schützen und auch nach 2040 noch halten.
Heinz Benölken sorgt sich um die Rente. Nicht um die eigene – der Mann ist 76 und hat ausgesorgt. Es geht ihm auch nicht um seine Altersgenossen, es geht ihm um die Jüngeren, die nach 2040 in den Ruhestand gehen, um die „Langzeitperspektiven der gesetzlichen Rente“. Die Politik scheue vor einer „sachgerechten Diskussion zurück“, klagt der Mescheder, die „Haltelinien-Schwüre“ der Großen Koalition – das Versprechen, die Rentenbeiträge nicht über 20 Prozent steigen, das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken zu lassen – würden nur bis 2025 reichen. „Ein zukunftssicheres Altersvorsorge-System muss mehrere Jahrzehnte vorgedacht sein!“, hält der 76-Jährige solch kurzsichtiger Politik entgegen.
Wenig Erwartung an die Rentenkommission
Von der Rentenkommission, die die Große Koalition nun eingesetzt hat, um die Zeit nach 2025 zu planen, hält Mescheder Rentenexperte wenig: „Da ist keiner unter 40“, stellt er fest: Mithin niemand, der die jüngeren Generationen in dieser wichtigen Zukunftsfrage wirklich vertrete.
Benölken selbst hat vorgedacht. Schon vor einigen Jahren, 2011, hat er zusammen mit Nils Bröhl ein Buch veröffentlicht: Altersvorsorge am Scheideweg. Das hat er nun überarbeitet, vor allem aber ergänzt um eigene Vorschläge für die Rente. Er nennt das: Altersvorsorge 2030 plus. Es geht ihm dabei nicht um ein paar kleine Korrekturen, nicht darum, ein wenig an den drei Stellschrauben für die Rente zu drehen: dem Rentenbeitrag, der Rentenhöhe und dem Renteneintrittsalter. Auch nicht darum, die Rente mit Hilfe des Staates zu sanieren, „der Staatszuschuss ist heute schon sehr hoch“, sagt er. Und er müsste weiter und exorbitant steigen, wenn man das System nicht grundlegend umbaut.
Benölken strebt ein Rentensystem an, das vor Altersarmut schützt, „ohne Gang zum Sozialamt“, nicht nur diejenigen, die bei mittleren bis hohen Einkommen ununterbrochen gearbeitet haben, sondern „auch die Altenpflegerin, die makaber wenig verdient“, letztlich sogar jeden. Die Aufgabe der Existenzsicherung kommt in Benölkens System allein der gesetzlichen Rente zu. Der 76-Jährige orientiert sich dabei an den Altersvorsorgesystemen in der Schweiz, Österreich und den Niederlanden.
Abweichung vom Äquivalenzprinzip
Was fordert der Mann aus Meschede? Für die gesetzliche Rente (GRV) im Kern zunächst die Einbeziehung aller Berufsgruppen, also auch von Selbstständigen, Freiberuflern, Beamten. Dann die Berücksichtigung aller Einkunftsarten, etwa von Mieteinnahmen oder Zinsen. „Aktuell entlässt die GRV zu viele Menschen aus der Solidarität“, begründet Benölken. Schließlich eine kräftige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze – oder deren Abschaffung, wie in der Schweiz. Die Rentenhöhe würde zugleich gedeckelt – auch wie in der Schweiz, wo die Höchstrente bei 2500 Euro liegt. Daraus, so kalkuliert Benölken, ließe sich ein Finanzstock aufbauen, der nicht nur alle Beschäftigten vor Altersarmut schützt, sondern auch nicht arbeitende Familienangehörige und junge Menschen in Ausbildung.
Dieser Rentendeckel bei höherer Beitragsbemessungsgrenze ist für Benölkens Konzept die entscheidende Finanzquelle. Allerdings wäre damit ein Bruch des Äquivalenzprinzips verbunden, bislang eine der Grundprinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung. In einem Dossier hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages erst im vergangenen Jahr erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einer Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze bei Abflachung der Rentenhöhe geäußert, eine Abweichung vom Äquivalenzprinzip immerhin aber nicht ganz ausgeschlossen. Benölken zeigt sich zuversichtlich: Der Gesetzgeber werde die Regelungen anpassen müssen, „er steht mit dem Rücken zur Wand.“
Quasi verpflichtende Betriebsrenten dienen bei Benölken der Sicherung des Lebensstandards. Hier lobt der Mescheder die Politik für die Planungen, auch kleinere Unternehmen einzubeziehen. Die Privatvorsorge würde nur Luxusbedürfnisse im Alter befriedigen.
Benölken will keine Panik verbreiten. Er weiß, dass die Angst vor Altersarmut größer ist als das tatsächliche Risiko, im Alter zu verarmen (wir berichteten). Allerdings fürchtet er, auch nur die prognostizierte Verdoppelung der Altersarmut bis 2030 könnte den Zusammenhalt der Gesellschaft bedrohen. Sein eigenes Konzept hält er für demografiefest, auch nach 2030. Zudem sieht er einen weiteren Vorteil: „Die gesetzliche Rentenversicherung wird unabhängig vom Dauerfinanzier Steuerkasse. “