Lennestadt. . Marco Kühne wagt beim Elspe-Festival nicht nur täglich den Todessprung. Der Chefstuntman ist auch zuständig für die Kampf-Choreographien
Drei Schläge, Fußtritt, und dann weiter. Was Marco Kühne und seine Partner trainieren, sieht aus wie Ballett, aber sie nennen es Arbeitsgalopp. Auf der Naturbühne wird daraus ein furioses Handgemenge. Der 42-jährige Kühne ist nicht nur der Chefstuntman des Elspe-Festivals, sondern auch der Kampfchoreograph für Mensch und Pferd. Kühnes Geheimrezept für den Wilden Westen könnte direkt von Karl May stammen: „Üben, üben, üben.“
Vom Pferd fallen, gehört für den Sauerländer zur Berufsbeschreibung. Darauf springen ebenfalls. „Das hat weniger mit Kraft zu tun als mit Technik“, lässt Marco Kühne hinter die Kulissen blicken. Die edlen Tiere lieben es gar nicht, wenn es knallt oder brennt oder qualmt. Deshalb muss jedes einzelne Tier in Elspe mit viel Einfühlungsvermögen auf seinen Auftritt vorbereitet werden. Nur Jolly Jumper nicht. Der 17-jährige Schimmel ist ein alter Bühnenhase, „sobald die Musik angeht, läuft bei ihm alles von allein.“
Pferde an den Applaus gewöhnen
Inszenierungen mit Pferden bilden die hohe Schule der Theaters. 16 Indianerreiter treten in Elspe bei der neuen Inszenierung „Winnetou 2 – Der Kampf um Öl“ auf, sechs Gangster betreiben ihr übles Geschäft aus den Steigbügeln heraus, Kaltblüter ziehen den Planwagen und Rösser die Postkutsche. Dazu kommen natürlich die Rappen für Winnetou und Old Shatterhand. Im Indianerpulk dürfen die Vierbeiner zum Beispiel nicht nach hinten austreten. „Auf diesen Aspekt achten wir schon beim Kauf“, so Kühne. „Pferde sind von Natur aus schreckhafte Geschöpfe.“ Daher werden die Neuzugänge erst einmal in der Pferdeshow im Rahmenprogramm mit Menschenmassen, Flammen und Schüssen vertraut gemacht. „Bei einer Fackel ist weniger das Feuer das Problem als vielmehr das Geräusch, das die Fackel macht, wenn sie geschwungen wird“, erläutert Kühne und ergänzt: „Wir hatten schon Pferde, die konnten sich nicht an den Applaus gewöhnen. Die mussten wir wieder abgeben.“
Marco Kühne ist auf der Naturbühne aufgewachsen. Reiten hat er so früh gelernt wie andere Kinder Fahrradfahren. Alle Cascadeure in Elspe müssen sattelfest sein. So bezeichnet man die Frauen und Männer, die Stunts auf den Pferderücken ausführen. Die meisten von ihnen kommen aus Tschechien. Manche galoppieren schon seit zehn Jahren Sommer um Sommer über die sauerländische Prärie. „In Tschechien ist es noch so, dass die Reiter auf dem Pferd geboren werden, dort werden auch viele Pferdeszenen für Filme gedreht.“
Karl Mays Wildwest-Abenteuer verlangen allen Beteiligten höchste Konzentration ab. Das liegt an den Pferden und an den zahlreichen Actionszenen. Wenn ein Darsteller einen Schlag vergisst, muss die Show trotzdem weitergehen. „Wichtig ist es, immer Augenkontakt mit dem Partner zu halten. Man muss mit den Augen reden, deshalb trainieren wir so oft. Man muss den Partner kennen, muss wissen, wie er reagiert“, listet Marco Kühne die zehn Gebote der Kampfchoreographie auf.
Mit Liebe bei der Sache
Kein Gefecht ist wie das andere. Die Choreographien werden für jede Inszenierung neu entwickelt. Marco Kühne baut gerne komische Elemente ein, denn Action, Witz und Poesie müssen sich die Waage haben. „Es sind die kleinen, unerwarteten Ideen, die das Theater lebendig machen“, davon ist er überzeugt. Und vom Elsper Teamgeist: „Jeder, der hier mitmacht, ist mit Liebe bei der Sache.“
Bühnenkampf ist Präzisions- und Hochleistungssport. Die Akteure müssen so konzentriert sein wie ein Zen-Meister, so viel Puste haben wie ein Marathonläufer und das Timing so perfekt kontrollieren wie ein Dirigent. „Es ist gut, wenn man Judo beherrscht. Judo kann man immer gebrauchen, auch wenn man mit dem Pferd fällt“, betont Marco Kühne. Im Theater ist man nie fertig. „Ich reite seit 35 Jahren, aber ich lerne immer noch.“
Die Pferde, die Stunts, die Kämpfe sind für Marco Kühne nicht Job, sie sind Berufung. Wenn er sich entspannen will, dann trabt er mit seiner Frau durch die Wälder der Region. Sarah Kühne gehört ebenfalls zu den Cascadeuren. Die Tierpflegerin kam mit Falknerin Maike Schmidt nach Elspe und verliebte sich nicht nur in die einzigartige Atmosphäre der Naturbühne. Bei der Hochzeit hat eine der Festival-Eulen die Ringe eingeflogen.
Winnetou II beim Elspe-Festival