Möhnesee. . Ein Finanzinvestor will den Sport- und Freizeitartikelhersteller Kettler übernehmen, fordert aber von der Heinz-Kettler-Stiftung Zugeständnisse.

Das Bangen für weit über 700 Beschäftigte beim Sport- und Freizeitartikelhersteller Kettler aus dem westfälischen Ense geht weiter – und ein für die Betroffenen nervenaufreibender Poker um die Übernahme des Traditionsherstellers durch einen Finanzinvestor ebenfalls.

Laut Geschäftsführer Olaf Bierhoff und der im Ringen um den Erhalt von Arbeitsplätzen eingebundenen Industriegewerkschaft Metall (IGM), liegt ein von Investorenseite unterschriebener Übernahmevertrag auf dem Tisch. „Wir haben 95 Prozent von 100 erreicht. Nur die Zustimmung der Heinz-Kettler-Stiftung haben wir noch nicht“, erklärt Alfons Eilers, IGM-Geschäftsführer für den Bereich Hamm-Lippe und damit zuständig für Kettler.

Stiftung hält wesentliches Vermögen

Die Stiftung existiert seit 2007, aber erst seit gut einem Jahr spielt sie eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit der Traditionsmarke Kettler. Nach dem tragischen Tod von Gründertochter Karin Kettler nach einem Autounfall im Frühjahr 2017, floss das Erbe ins Stiftungsvermögen ein. Dazu gehören alle Produktionsstätten der Kettler GmbH und darüber hinaus diverse Auslandgesellschaften sowie die Markenrechte für die USA und Großbritannien. Der Finanzinvestor macht die Übernahme des Unternehmens nun offenbar davon abhängig, ob die Stiftung wesentliche Vermögenswerte an die Kettler GmbH abtritt.

„Ein entscheidender Punkt sind die Markenrechte für Großbritannien und die USA“, versichert Olaf Bierhoff, der nach eigenen Angaben seit Herbst vergangenen Jahres alle Gespräche mit potenziellen Investoren begleitet habe und seit diesem Frühjahr als kaufmännischer Geschäftsführer die Geschicke des Unternehmens lenkt. Die Finanzholding, die Kettler übernehmen wolle, sei international orientiert und wolle entsprechend weltweit agieren.

Tatsächlich könnte hier eine Chance für die Zukunft der Marke und viele der Beschäftigten liegen – wenngleich wohl kaum für alle. Ein großer Teil der Beschäftigten an den westfälischen Standorten sei über 60 Jahre alt. Dies sei für die Personalentwicklung wichtig, bemerkt der erfahrene Gewerkschafter Eilers, der die Rettung des Unternehmens sicher gerne noch in trockene Tücher bringen möchte, bevor er sich in ein paar Wochen in den Ruhestand verabschiedet. Viel Zeit bis zum Abschluss der Übernahme bleibe nicht mehr, erklärt Eilers: „Das Ziel ist es, Ende des Monats durch die Tür zu kommen. In den nächsten Tagen muss eine Entscheidung passieren.“

Unverständnis beim Betriebsrat

Dass sich die Belegschaft dies nach den Informationen am Donnerstag auf einer Betriebsversammlung wünscht, erscheint nur zu verständlich. Sie durchlebten in den letzten Jahren ein Wellenbad der meist unguten Gefühle. Zuletzt, als die alte Heinz Kettler GmbH & Co. KG 2015 Insolvenz anmelden musste und letztlich durch mehrere Millionen Euro aus der Privatschatulle der Gründertochter Karin Kettler und schließlich eine 30 Millionen Euro hohe Landesbürgschaft im Herbst 2016 als Kettler GmbH einen Neuanfang starten konnte.

Mit neuem Mut, vielen neuen Ideen, aber offenbar zu begrenzten Finanzmitteln, um nachhaltig durchstarten zu können. Für die Belegschaft muss es sich jedenfalls frustrierend anhören, wenn neben dem neuen Geschäftsführer selbst ein gestandener Gewerkschafter wie Eilers resümiert: „Wir brauchen frischen Wind im Unternehmen und auch mehr Innovationen.“

Dabei hatten die Mitarbeiter in Ense und Werl durchaus in vielen Bereichen – von smarter Technik am Trimmrad bis zu pfiffigen Werbestrategien wie dem 24-Stunden Kettcar-Marathon mit Joey Kelly – viel Inspiration und Leidenschaft für ihr Unternehmen und den Erhalt der Traditionsmarke eingebracht.

Derzeit bleibt ihnen nicht viel mehr, als auf einen glücklichen Ausgang des Pokers um die Kettler-Zukunft zu hoffen. „Die Kollegen verstehen nicht, dass das Kapital da ist, aber nicht für unsere Belange ausgegeben wird. Es wird ja von Stiftungsseite mit Anlagen geprotzt“, appelliert der Betriebsratsvorsitzende Antonio Salerno an die Verantwortlichen der Heinz-Kettler-Stiftung, an deren Spitze mit dem Kuratoriumsvorsitzenden Manfred Sauer ein alter Bekannter steht.

Die Stiftung hält die Produktionsstätten

In Ense-Parsit sowie den drei Werken in Werl sind 733 Mitarbeiter beschäftigt. Außerdem noch jeweils ca. 20 in den Auslandsgesellschaften in Österreich, Frankreich und Belgien.

Grundstücke und Immobilien befinden sich im Besitz der Kettler-Stiftung. Zudem u.a. wertvolle Markenrechte für USA und Großbritannien und eine Produktion in Polen.

Sauer war bis zur Insolvenz 2015 jahrzehntelang bei Kettler beschäftigt, als Prokurist und zuletzt als kaufmännischer Geschäftsführer. In jedem Fall dürfte Sauer die Situation des Unternehmens durchaus noch vertraut sein. Stiftungsvorstand und Sauer als Aufsichtschef des Kuratoriums sind allerdings auch verpflichtet, mit dem Stiftungsvermögen maximal verantwortlich umzugehen. Offenbar ist man dort immer noch nicht überzeugt, dass der neue Investor die Abgabe von Markenrechten ausreichend honoriert.

Platzt die Übernahme, steht Kettler nicht prompt vor dem Aus, versichert Geschäftsführer Olaf Bierhoff. Nicht in den nächsten Tagen oder Wochen jedenfalls. Die engagierte Belegschaft und ihre Familien wird dies kaum beruhigen.