Hagen/Altena. . Altenas Bürgermeister Hollstein trifft im Landgericht Hagen zum ersten Mal nach der Messerattacke den Täter. Angriff wirkt bis heute nach
Die Körpersprache, die Stimme, der Blick. Sie verraten eines: Andreas Hollstein ist mit dem Messerangriff gegen ihn noch nicht fertig.
44 Minuten wird der Bürgermeister von Altena als Zeuge im Saal 201 im Hagener Landgericht befragt. Hollstein sagt danach: „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, das war ein einfacher Gang demjenigen zu begegnen, der mich an Leib und Leben traktiert hat.“
Ehefrau und Töchter leisten Altenaer Bürgermeister im Gericht Beistand
Ehefrau Claudia und zwei erwachsene Töchter leisten dem 55-Jährigen im Zuschauerraum Beistand. Sie wollen dabeisein, wenn das Ereignis, das die Familie bis ins Mark erschüttert hat, juristisch aufgearbeitet wird.
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Am zweiten Prozesstag treffen Opfer und Täter zum ersten Mal nach sechs Monaten wieder aufeinander. Im Zeugenstand beschreibt der Christdemokrat den Ablauf der Tat und seine Ängste.
Hollstein: Täter fixierte mich mehrmals mit seinen Augen
Werner S. habe ihn im Döner-Imbiss mit den Augen mehrfach fixiert. „Er hat auffallend oft zu mir herüber geguckt.“ Dann fragt der Täter: „Sind Sie der Bürgermeister?“ Seine Antwort: „Ja, warum?“
In diesem Moment greift der arbeitslose Maurer in seine dunkle Umhängetasche, zieht mit der rechten Hand ein Küchenmesser mit einer 22 Zentimeter langen Klinge heraus und hält sie ihm an den Hals. Mit der linken Hand nimmt er den Bürgermeister in den Schwitzkasten und brüllt: „Ich steche dich ab. Du lässt mich verdursten, aber holst 200 Ausländer in die Stadt.“ Hollstein erinnert sich: „Ich habe den Schock meines Lebens erlitten. Ich hoffe, so etwas erlebe ich nie wieder.“
Bürgermeister stockt bei seiner Aussage die Stimme
Er stockt, holt tief Luft. Der Zuhörer spürt, der Angriff spielt sich erneut vor seinen Augen ab. Dem Täter bietet er damals an, eine Lösung für sein abgedrehtes Wasser zu finden. Das bleibt ohne Resonanz. Auch die lautstarke Aufforderung des Imbiss-Betreibers Ahmet Demir an den Täter, das Messer fallen zu lassen und sich nicht unglücklich zu machen, verhallt. Der 56-Jährige erhöht den Druck mit der Klinge.
Die Aggressivität macht dem Opfer nach eigenem Bekunden klar, reagieren zu müssen. „Ich habe gedacht“, so Hollstein, „entweder jetzt sterben oder sich wehren. Mit aller Kraft, die ich hatte, habe ich versucht, das Messer wegzudrücken.“ Er stößt auf heftige Gegenwehr. Es kommt zum Gerangel, der Imbiss-Betreiber und sein 57-jähriger Vater Abdullah Demir kommen ihm zur Hilfe. Zu dritt gelingt es ihnen, den Angriff abzuwehren, den gebürtigen Hagener zu überwältigen und zu fixieren. Sie drücken ihn gegen die Kühlschranktür. Hollstein: „Es hat alles eine gefühlte Ewigkeit gedauert.“
Werner S. entschuldigt sich im Gerichtsaal
Die Alarmierung der Polizei sieht der überwältigte Mann gelassen. „Lasst sie ruhig kommen, die können mich ruhig erschießen“, tönt er in seiner ausweglosen Lage. In der Verhandlung schaut er in der Regel mit leerem Blick geradeaus. Es kostet ihn sichtlich Mühe, seine am ersten Tag verlesene Entschuldigung in eigene Worte zu fassen.
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Zum erste Mal äußert er sich. „Ich möchte mich bei Ihnen und Ihrer Familie entschuldigen“, sagt Werner S., „ich hoffe, Sie können weiter als Bürgermeister arbeiten. Ich habe auch nichts gegen ihre Ausländerpolitik.“ Die Tat habe er aus Verzweiflung begangen.
Tat bereits zum Auftakt gestanden
Bereits zum Prozessauftakt hatte er über seinen Hagener Verteidiger Michael Aßhauer die Tat gestanden und mit einer ausweglosen privaten Situation begründet, die mit dem Abstellen des Wassers ihren Höhepunkt erreicht hätte.
Hollstein nimmt die Entschuldigung entgegen und betont, keinen Hass gegenüber dem Angeklagten zu empfinden. Eines macht er deutlich: „Vergeben kann ich Ihnen nicht. Das muss jemand anderes tun. Am Ende müssen Sie die Tat vor sich selbst verantworten.“
Mit dem Gedanken, sein Amt als Bürgermeister abzugeben, habe er nur 30 Sekunden nach dem Vorfall gespielt. Das sei schnell verflogen. Viel mehr bricht Hollstein eine Lanze für Kommunalpolitiker: „Wenn wir an der Basis, die wir für die Menschen dasein wollen, aufgeben, weil es schlechte Menschen gibt, die im Netz hetzen, die einen bedrohen, würden wir den Platz frei machen für eine Art Politiker, die ich nicht möchte.“