Hagen/Dortmund. . Eine Karriere im Ballett endet meistens mit Anfang 30. Junge und ehemalige Profi-Tänzern erzählen von ihrem Traum und über die Zeit danach.

„La mème like yesterday“, ruft Ilja Louven durch den Saal. Die Anweisungen, die die Ballettmeisterin gibt, sind eine Mischung aus Französisch und Englisch: „Die gleiche Übung wie gestern.“

Zu Gast beim Training des NRW-Juniorballetts am Theater Dortmund. Junge Tänzerinnen und Tänzer arbeiten hier konzentriert an ihren Bewegungsabläufen: Drehungen, Sprünge, auf Spitze stehen. 13 sind es, die für den Traum auf der Bühne zu stehen aus allen Ländern der Welt nach Westfalen gekommen sind. Ihnen ist klar, dass es eine kurze Karriere wird. Die meisten Balletttänzer hören mit Anfang 30 auf.

Ester Ferrini und Daniel Leger tanzen zur Zeit im NRW-Junioballett Dortmund.
Ester Ferrini und Daniel Leger tanzen zur Zeit im NRW-Junioballett Dortmund. © Ralf Rottmann

Daniel Leger ist Kanadier. Seit letztem Herbst ist der 21-Jährige Mitglied in der Juniorkompanie. „Ich war sehr aufgeregt, als ich die Zusage aus Dortmund bekam“, erzählt er. „Mein Ballettlehrer in Kanada hat mir vorgeschlagen, mich in Dortmund zu bewerben.“

Mit seinen Eltern hält er Kontakt per Videochat. Vor ein paar Wochen haben sie ihn sogar bei einer Aufführung in Dortmund besucht. „Tanz ist eine Art, mich selbst körperlich und künstlerisch auszudrücken“, sagt er.

Bis zu acht Stunden Training am Tag

Ester Ferrini ergänzt: „Ich nutze meinen Körper, um Kunst zu erschaffen.“ Die 21-Jährige kommt gebürtig aus Dortmund, zog aber mit ihren Eltern schon früh nach Italien. Ihre Eltern – früher beide Tänzer und heute Tanzlehrer – waren es auch, die sie dazu inspirierten, selbst mit sieben Jahren die Ballettschuhe zu schnüren.

Nach der Tanzschule in Italien, führte ihr Weg zurück ins Ruhrgebiet. „Ich habe als Gasttänzerin bei Schwanensee mitgemacht. Daraufhin habe ich das Angebot bekommen, beim Juniorballett anzufangen.“

Auf der Bühne taucht sie in eine andere Welt ein: „Bei einer Aufführung hat mal alles gestimmt. Ich habe mich so voller Kraft gefühlt und es war mir in dem Moment völlig egal, was das Publikum denkt.“

Gedanken an die Zukunft

Ester Ferrini trainiert an der Ballettstange.
Ester Ferrini trainiert an der Ballettstange. © Ralf Rottmann

Viel Zeit, um beispielsweise nebenbei zu studieren, haben die beiden Tänzer nicht, teilweise trainieren sie acht Stunden am Tag. Wie geht es für sie nach der aktiven Zeit weiter? Ester lacht. „Ich versuche, nicht so oft darüber nachzudenken, sondern lieber die Zeit jetzt zu genießen. Am Ende kommt eh alles anders, als man es plant.“ Sie könnte sich ein Psychologie-Studium vorstellen.

Daniel macht sich keine Sorgen. „Wir lernen hier Fähigkeiten, die uns auch in anderen Berufen später helfen wie diszipliniert und ehrgeizig zu sein.“ Er findet Mathematik spannend: „Es gibt genau eine korrekte Antwort. Das ist anders als im Tanz, wo vieles subjektiv ist.“

Vom Ballett zum Pilates-Studio

Jozsef Hajzer und Sandra Hajzer haben ihre Ballett-Karriere beendet und betreiben ein Pilates-Studio in Hagen.
Jozsef Hajzer und Sandra Hajzer haben ihre Ballett-Karriere beendet und betreiben ein Pilates-Studio in Hagen. © Matthias Graben

Sandra und Jozsef Hajzer haben all das schon erlebt. Die beiden ehemaligen Balletttänzer haben ihre aktive Karriere vor etwa zehn Jahren beendet. So ganz konnten sie sich aber nicht von der Liebe zur Bewegung lösen. Seit 2011 betreiben sie in Hagen ein Pilates-Studio. „Es ist für mich die nächste Entwicklung meiner Karriere“, sagt Sandra Hajzer. „Mein Beruf hat immer noch mit dem Körper und Balance zu tun.“

26 Jahre lang hat sie aktiv getanzt. Die 44-Jährige hat sich vor elf Jahren entschieden, Mutter zu werden. „Ich habe mitten in der Spielzeit von der Schwangerschaft erfahren“, sagt sie. Es griff der gesetzliche Mutterschutz, sie bekam ein Auftrittsverbot. Den Rest der Spielzeit verkaufte die Ballerina Karten an der Theaterkasse.

Das Theater nie ganz verlassen

Heute hat sie vier Kinder. Eine Kombination aus Ballett-Karriere und Familie kam für Sandra Hajzer nicht in Frage: „Alles dreht sich um die nächste Rolle und das Training. Ich hätte mich nicht gut genug um meine Kinder kümmern können.“

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Für Jozsef Hajzer, der auch als Choreograph gearbeitet hat, war der Abschied von der aktiven Laufbahn schwierig. „Ich vermisse es immer noch. Wenn ich bei einer Ballettaufführung zusehe, möchte ich aufstehen und mitmachen.“ Dem Theater ist der 43-Jährige treu geblieben und arbeitet als Orchesterwart beim Hagener Theater. Möglicherweise wird er bald wieder choreographieren.

Er gibt den Tipp, immer wieder den Spielort zu wechseln: „Wer immer mit dem gleichen Choreographen arbeitet, lernt man nichts Neues mehr dazu. Sobald es langweilig wird, sollte man sich etwas Neues suchen.“

Skifahren verboten

Sandra Hajzer blickt gerne zurück: „Es ist eine sehr kurze Karriere, die sehr früh anfängt.“ Sie begann mit neun Jahren. „Man lebt für die paar Minuten auf der Bühne.“

Einschränkungen gehörten dazu. Zum Beispiel wird den Tänzern nahe gelegt, nicht Ski zu fahren. Die Verletzungsgefahr ist zu groß. Beide Ehepartner haben sich im Laufe der Karriere den Mittelfuß gebrochen. Sandra Hajzer: „Wir haben die Verletzung so gut wie möglich bis zur Spielzeitpause hinausgezögert, um sie dann auszukurieren.“ Die Konkurrenz um den Platz im Ensemble war groß.

„Ich vermisse nicht das Leben der Tänzer, aber ich liebe das Tanzen“, sagt Sandra Hajzer. „Junge Tänzer sollten die Zeit genießen und immer weiter streben. Es geht so schnell vorbei.“

>>> Hintergrund: Viel Konkurrenz

  • Die Tänzer bleiben zwei Jahre im NRW-Juniorballett. Danach werden sie entweder vom Dortmund Ensemble übernommen oder wechseln die Kompanie.
  • Im Laufe des zweiten Jahres tanzen sie bei den Kompanien vor. Die Konkurrenz ist groß, auf eine Stelle bewerben sich bis zu mehrere hundert Tänzer.