Hagen. . Roxana Marie Küthe und Hans-Peter Drilling werden Beiratsmitglieder der Regionale 2025. Sie fordern ein Ende des Kirchturmdenkens.
Die schlechte Verkehrsinfrastruktur, das knappe Freizeitangebot, der schleppende Breitbandausbau – natürlich kann man es sich als junger Mensch einfach machen und Südwestfalen den Rücken kehren. Doch so ticken Roxana Marie Küthe (23) und Hans-Peter Drilling (26) nicht. Sie wollen mitgestalten und werden als Vertreter der jungen Generation ab Ende August Mitglieder des Beirats der „Regionale 2025“, dem Beratungs- und Entscheidungsgremium des Strukturförderungsprogramms.
Ja, sie fühle sich sehr wohl in Südwestfalen, erzählt Roxana Marie Küthe, Erzieherin aus Netphen-Beienbach, die Anonymität einer Großstadt wäre nichts für sie. Dennoch: „Ich möchte nicht einfach so hinnehmen, was mich stört.“ Also engagiert sie sich seit Jahren in der Dorfentwicklung. Mit ermutigenden Erfahrungen: „Man hört mir zu.“ Viele junge Leute dagegen hätten den Eindruck, dass sie kein Gehör für ihre Anliegen finden, „dass unter den Entscheidungsträgern wenig freies Denken für innovative Ideen herrscht, weil das Korsett der Möglichkeiten eng ist“.
Unvoreingenommene Meinungen
Klaus-Peter Drilling pflichtet ihr bei. Junge Leute hätten unvoreingenommene Meinungen – damit ließen sich neue Ideen entwickeln, so der in Balve aufgewachsene Vertriebsmitarbeiter bei einem Büroartikelhersteller in Iserlohn. „Mehr noch: Junge Menschen bringen mehr Drive in eingefahrene Strukturen.“ Auch weil sie ihre Region anders wahrnehmen als Über-40-Jährige, „die keine Probleme mit den zu wenigen Verbindungen im Öffentlichen Personennahverkehr oder mit anfallenden Kosten für ein Studium haben“, wie es Roxana Marie Küthe ausdrückt.
Die Siegerländerin und der Sauerländer engagieren sich im Jugendparlament „Utopia“ der Südwestfalen Agentur. „Diese Denkwerkstatt war ein zentrales Projekt bei der Bewerbung zur Regionale 2025“, sagt Hans-Peter Drilling, ein Versprechen, junge Leute in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. „Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich Südwestfalen mehr an der jüngeren Generation ausrichten muss – um sie langfristig für die Region gewinnen zu können.“ Damit dies passiert, müssen aus seiner Sicht Voraussetzungen erfüllt sein: berufliche Perspektiven, Ganztagsbetreuung, eine gute Verkehrsinfrastruktur, Strategien für den digitalen Wandel und ein attraktives Freizeitangebot. Letzteres müsse dringend modernisiert werden. „Es fehlt alleine schon ein einheitlicher Veranstaltungskalender für Südwestfalen“, kritisiert Drilling. Dem könnte mit einer App für Freizeitgestaltung – u.a. mit einer Sammlung kommunaler Angebote – begegnet werden. Eine Idee aus einem Utopia-Tag.
Vielerorts Kirchturmdenken
Im Fehlen eines solchen Veranstaltungskalenders – auch wenn dies keine weltbewegende Sache zu sein scheint – zeigt sich ein grundlegendes Problem: Auch in Südwestfalen herrscht noch vielerorts Kirchturmdenken. „Viele Kommunen tun sich schwer, größer zu denken“, sagt Roxana Marie Küthe. Das macht es nicht leichter, einen Oberbegriff wie Südwestfalen in junge Köpfe zu bringen.
Dabei sei ein gemeinsamer Name für eine Wirtschaftsregion wichtig, findet Hans-Peter Drilling. „Damit lassen sich Menschen und Wirtschaftseinheiten miteinander verknüpfen.“ Südwestfalen müsse noch sehr viel tun, damit sich insbesondere junge Leute vernetzen und damit Gewicht bekommen. „Ich bin vor kurzem von Balve nach Dortmund gezogen“ erzählt Drilling. Dort finde sich eine sehr vernetzte Gründerkultur. Nachahmung empfohlen: „Südwestfalen muss dringend ein berufliches Gründernetzwerk aufbauen.“
Ein vielversprechender Ansatz ist das Gründerhaus in Arnsberg, in dem junge Unternehmer und Start-ups Räume anmieten können und kreativ wie unkonventionell in einem „Coworking Space“ gemeinsam Kontakte zur regionalen Wirtschaft auf- und ausbauen können. Dieses Projekt wurde in der Initiative „#mehralsnurWP“ – der Zukunftswerkstatt der WESTFALENPOST – entwickelt.
Roxana Marie Küthe und Hans-Peter Drilling sind sich einig: Es motiviert junge Leute, wenn ihre Ideen umgesetzt werden. Die Siegerländerin nennt das bei Utopia entstandene Projekt „GAP Year Südwestfalen“ für die berufliche Findungsphase. Darin werden Abiturienten und Bachelor-Absolventen in zwölf Monaten drei Praktika in drei Unternehmen ermöglicht.
Auch Südwestfalen befindet sich noch in einer Findungsphase, was die Zukunft für junge Menschen angeht. Hat Hans-Peter Drilling einen Wunsch? Er überlegt nicht lange: „Dass die Region mehr Offenheit gegenüber neuen Lösungen zeigt“, so Drilling. „Wir müssen über den Tellerrand schauen, damit Südwestfalen stärker wird.“