Jede Medaille hat zwei Seiten – eine Beschreibung, die auch für den Koalitionsvertrag der GroKo zutrifft. Ein Gastkommentar von Dr. Volker Verch.
Jede Medaille hat zwei Seiten – eine Beschreibung, die auch für den Koalitionsvertrag der neuen GroKo zutrifft. Die leuchtende Seite: Endlich gibt es eine Regierung, die sich einen klar definierten Arbeitsplan gegeben hat. Die Kehrseite: Der Arbeitsplan ist lediglich ein Entwurf zum Abarbeiten, weniger eine Zukunftsvision, kein Plan zum Aufbruch oder zur großen Reform.
Gerade in der Rentenpolitik gilt das Prinzip der Medaille mit zwei Seiten. Ja, dort gibt es helle Seiten. Zum Beispiel die Leistungsverbesserung für Erwerbsminderungsrentner, die Stärkung der Reha, die säulenübergreifende Renteninformation. Oder das Vorhaben, dass auch Selbstständige verpflichtend für ihre Altersvorsorge sorgen sollen – selbst wenn Mittel und Wege dahin noch nicht ganz konsequent zu Ende gedacht sind.
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Noch unkonkret ist der Vorschlag, sich mit einer Rentenkommission der Zukunftsperspektive für die Zeit nach 2030 und dem großen Thema „Altersarmut verhindern“ zu nähern.
Doch spätestens bei Themen wie der Mütterente II dreht sich diese GroKo-Medaille in Gänze auf ihre dunkle Seite. 3,5 Milliarden Euro (pro Jahr!) als fettes Wahlgeschenk, getarnt als selbsterfundener Lückenschluss der Gerechtigkeit. Ein maßlos teures Geschenk, da für dieses Geld nie etwas in die Rentenkasse eingezahlt wurde. Mein dringender Appell: Hier muss und soll der Staat zahlen, und eben nicht der Beitragszahler! Genauso beim zweiten Gerechtigkeits-Versuch namens Grundrente. Mit ihr wird die Systematik der seit 127 Jahren bewährten Trennung von Fürsorge- und Versicherungsleistung zu Lasten der Rentenversicherung und somit ihrer Beitragszahler verlassen.
Teure Wahlgeschenke
Helle Seite, dunkle Seite – das Medaillenprinzip gilt auch bei den Haltelinien, die die GroKo für Beitragssatz und Rentenniveau einziehen will. Der politische Wille ist verstanden; die GroKo will „stabilisieren“. Die realpolitische Schattenseite: Das Halten des Rentenniveaus ist von seiner Systematik überhaupt kein wirksames Mittel gegen die drohende Altersarmut! Überdies: Alles, was in Richtung vorzeitige Beitragserhöhung marschiert, geht über kurz oder lang wiederum den Beitragszahlern ans Geld.
Eines sollte, nein, muss die GroKo stets mit vor Augen haben: Einseitige Belastungen der Beitragszahler – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – sind kontraproduktiv, verkehren am Ende soziale Sicherung ins Gegenteil. Sie ziehen Arbeitnehmern das Geld aus dem Konsum-Portemonnaie und bei Arbeitgebern Mittel für nötige Innovationen und Investitionen aus den Unternehmen. Also genau das, was der Wirtschaftsstandort benötigt für sichere, gutbezahlte Jobs mit Zukunftsgarantie. Denn diese Jobs sind die allerbeste Versicherung gegen Altersarmut und für auskömmliche Renten!
Ein Gastkommentar von Dr. Volker Verch
- Dr. Volker Verch ist Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte und Alternierender Vorsitzender der Deutschen Rentenversicherung Westfalen.